Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Freitag, 5. Juni 2015

Benno Hurt Fotos zu sehen

Wer von dieser Gluthitze in das kühle Einkaufszentraum flieht, sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen: im Rahmen der Charity-Art-Group-Ausstellung kann man auch Fotos von Benno Hurt sehen. Nicht vorne im Hauptbereich, sondern im hinteren (oder vorderen) Bereich  bei Peek und Cloppenburg.

Katalog zu Benno-Hurt-Ausstellungen in der Städtischen Galerie beim Leeren Beutel

Benno Hurt, Regensburger Ex-Richter und Noch-Schriftsteller, ist nämlich schon immer  auch als Fotograf tätig. Und zwar als sehr ernst zu nehmender Fotograf.

Im Buchhandel oder im Internet findet man kaum etwas dazu (kleine Ausnahme hier).  Die Fotos sind fast nur in Ausstellungen zu sehen - beginnend 1979 in der Galerie Bäumler, soweit ich das rekonstruieren kann.


Dass auch die  Städtische Galerie solche Ausstellungen machte, ist nicht auf gute Beziehungen zurückzuführen, sondern auf die Hochwertigkeit der Fotos. Und so ist es schade, dass es außer einem Ausstellungskatalog (über den ich auch nur durch Zufall geriet) keine Fotobände gibt.

Wenn ich die Bilder hier lobe, dann aus gewachsener  Überzeugung, und nicht als Schmeichelei. Da er nicht mehr "straf-richtert" wäre das nämlich sinnlos. Ja, ich könnte es mir sogar leisten, sie zu verreissen (hier höhnisches Verbrecherlachen aus dem OFF). Schließlich haben wir Anwälte ein gespaltetenes Verhältnis zu Strafrichtern (streng und stets grimmig dreinblickend, so wie es eben zwecks erzieherischer Funktion sein muss)

Zu den Fotos muss ich etwas sagen, weil sie beim ersten Hinsehen missverständlich sind. Man könnte nämlich den Eindruck gewinnen, viele Fotos haben einen Farbstich, oder seien altmodisch konstruiert. Das ist aber nicht der Fall.

Aber von Anfang an:


Benno Hurt fotografiert  im Stil der "Neuen Sachlichtkeit", eine Stilrichtung, die es nicht nur in der Malerei, sondern auch in der Fotografie gibt

(http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Sachlichkeit_%28Fotografie%29). Bekannte Vertreter sind Alfred Stieglitz Paul Strand  Edward Weston  Albert Renger-Patzsch  Ansel Adams und Edward Steichen

Er fotografiert seit Jahrzehnten. Seine Fotos sind alle oder überwiegend analog fotografiert.

Kulisse oder Objekt ist meist Regensburg, also Bilder im Außenbereich.


Irgendwann fing er an,  Fotomodelle mit einzubinden. Das war  dann schon sehr aufwändige Fotografie.

Es sind nicht einzelne Modelle, die in die Kamera grinsen, sondern mehrere Modelle, die in bestimmter Weise aufgestellt und auf besondere Weise kostümiert wurden. Die Leute blicken in der Regel ernst drein, die Posen sollen gestellt wirken. So ergeben sich äußerst interessante expressionistische  Situationen, die zum Nachdenken anregen.

Die Modelle der früheren Fotos haben mittlerweile auf verschiedensten Gebieten Karriere gemacht, was dass solche Fotos zusätzlich interessant macht.

Für die Standphotos musst er Mäntel, Hüte und  Kostüme besorgen, die nichtgerade  im Kleiderschrank hängen, ebenso Oldtimer oder andere Autos. Für Außenfotos ergibt sich hier eine riesige Vorarbeit und Fotosession-Arbeit, und eine gewisse finanzielle Investition.

Es gibt eine Reihe von Fotos, die offenbar unter dem Thema "Blick in die Bundesrepublick - kritische Erinnerungsphotografie" steht, auch wenn die Austellungstitel differierten. Jedenfalls stellte er seine Modelle in klassischen Posen auf, wie sie die Aufbruchsgeneration der BRD (in den Fünfziger oder Sechziger Jahren ?) beim Fotografiertwerden einnahmen. Je öfter ich diese Portraits ansehe, desto mehr begeistern sie mich.

Es sind Fotos aus 1990 herum, also wohl Analog-Fotos.

Dabei hat er bei diesen Fotos einen Trick benutzt, den ich mittlerweile genial finde: er fotografierte mit Kunstlichtfilm. Das sind Negative, die für Innenfotos benutzt wurden, und die den Rotstich ausgleichen. Sie geben die Farben verfälscht wieder, mehr ins Blaue hinein verdreht, was aber beim rotstichigen Kunstlicht genau den notwendigen Ausgleich bewirken soll.

Er benutzte diesen Film aber bei Außenaufnahmen und strahlte die Fotomodelle mit normalen Licht (oder ist es Blitzlicht? ich weiß es nicht) an. Effekt: die Gesichter sehen normal aus, aber der gesamte Hintergrund - Stadt oder Landschaft - wirkt bläulich bis grünlich, und so schafft er zwei Zeitperioden. Die Kulisse, die Bühne, ist bläulich-entrückt, fern.

Heute würde man beim Digitalfoto den gesamten Bereich um die Personen herum ins bläuliche verfärben und die Personen unverändert lassen. Was auch schon eine gute Idee wäre. Aber damals gab es solche Manipulationen nicht. Man hätte vielleicht beim Vergrößern in der Dunkelkammer mit Klischees und Masken arbeiten müssen, und hätte das Ergebnis doch nicht so gut hinbekommen, wie es mit diesem Trick gelang, den Benno Hurt verwendete.

Als ich das das erste Mal bei einer Ausstellung sah, war ich nur verwundert. Da ich mittlerweile einen Ausstellungskatalog mit seinen Fotografien besitze und ich die Bilder immer wieder betrachten kann, bin ich mittlerweile begeistert. Auch über die vielen Details, die in jedem Bild stecken. Es ist wirklich schade, dass es von den Bildern keine Drucke oder Fotobücher gibt.

Sofern die ausgestellten Bilder klassische Abzüge der Analogfotos sind und nicht nachträglich digitalisierte Fotodrucke, dürfte das den Wert für Sammler noch mehr erhöhen.

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Und jetzt noch etwas Juristisches, für andere Blogger. Bilder von Benno Hurt habe ich hier keine abgedruckt, dazu müsste ich erst die Erlaubnis einholen. Das Foto vom Ausstellungskatalog (mit einem Foto Benno Hurts auf der Titelseite) ist eigentlich schon eine Urheberrechtsverletzung (Foto vom Foto) und somit auch strafbar. Ob kommerziell ode rnichtkommerziell ist wurscht.  Ich arbeite hier mit dem Institut der "mutmaßlichen Einwilligung". Seien Sie aber vorsichtig, wenn Sie so etwas nachmachen. Man bewegt sich immer im Grenzbereich, wenn man über fremde Künstler schreibt und ihre Bilder zeigt.


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Zu Benno Hurt, den ich persönlich kaum kenne, fällt mir noch eine lustige Situation ein. Ich hatte vor langer Zeit, als ich noch als Anwalt aktiv war, einen ungefähr neunzehnjährigen Mandanten, den ich vor Benno Hurt als Strafrichter verteidigte. Die Tat selbst war klar, es ging wie so oft nur um die Höhe der Strafe und darum, ob der Wiederholungstäter in Haft muss und wie lange,  oder ob er mit Bewährung davon kommt. Der Mandant hatte schon mit ersterem gerechnet, und ich hatte auch mords Angst vor dem Richter, auch wenn ich es nicht zeigte.  Benno Hurt hatte Verständnis für die vorgetragenen Umstände und gab ihm eine Bewährungsstrafe.

Als wir in den Gang getreten waren, fiel mir der Mandant unerwartet und wortlos um den Hals, bevor er sich dann seinen Freunden zuwendete. Eine Szene, die mich heute noch schmunzeln lässt.