Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Sonntag, 17. Dezember 2017

Abenteuer Atlanten und Landkarten


Wenn Sie noch Zeit übrig haben, um sich selbst etwas zu Weihnachten zu schenken: blättern Sie doch mal in der Buchhandlung in Büchern über Kartographie.

Das ist ein unglaublich spannendes Thema, das mich nun schon seit mehr als 15 Jahren fasziniert und mich jeden Tag aufs Neue überrascht und begeistert.

Dabei greife ich nicht nur auf die Karten-Archive im Internet zurück, oder die youtube-Video-Dokus, sondern kaufe und lese immer wieder mal richtige Bücher. Ohne Bücher geht es eigentlich nicht. Erst diese erklären die Hintergründe und Zusammenhänge, und über diese wird man auf die interessanten Karten hingewiesen, die man dann zusätzlich im Internet suchen kann, damit man sie hochauflösend zoomen und betrachten kann.

Und wenn man dann ein großformatiges Buch vor sich hat, also einen Bildband, dann ist man sofort überzeugt und gefesselt. Der letzte Bildband, den ich vor einem halben Jahr gekauft habe (siehe unten), hat zwar 78 Euro gekostet, aber ich habe das nie bereut. Bis heute schlage ich dort immer wieder auf, wenn Bekannte kommen, dann lassen die vor Begeisterung nicht mehr los, und ich entdecke dort bis heute interessante Hinweise auf Karten, über die ich zusätzlich im Internet recherchiere.



Schnell merkt man, dass die Karten nicht nur schön sind, nein, man beginnt die die Technik des Kupferstichs wahrzunehmen. Oder deren nachträgliche Kolorierung (siehe Video weiter unten).

Interessant ist ferner, wie sich in den Karten zwichen 1500 und 1800 die neuen (bis dahin unbekannten) Erdteile wie Nordamerika, Südamerika Australien etc. herausschälen (Beispiele weiter unten). Spannend (und für viele schon ein Hobby für sich) sind auch die traditionell eingearbeiteten Seeungeheuer in den Meeren, oder die Einzeichnung von "Paradies" oder die Wohnorte von "Gog und Magog" in ganz alten Karten.

Wenn man dann noch die ganz alten Karten vor Einführung des Buchdrucks entdeckt, die Ebstorfer Weltkarte z.B., und die näher untersucht, wird es auf andere Weise spannend, vor allem für Rätselliebhaber: wo ist dort die Heimat? Die Donau, in unserem Fall, oder  Regensburg selbst

Gar nicht einfach, wenn auf der Karte der Norden nicht oben ist, und wenn die Ersteller nur ungenaue Informationen über die Länder, Städte und Flüsse hatten.


Zwei Beispiele aus der David-Rumsey-Sammlung

Um das alles näher zu erklären, habe ich zwei Karten aus zwei wunderschönen Atlanten herausgesucht, den Atlas von Pieter Goos, 1676 und einen Atlas von Blaue aus 1665.

Beide Karten sind zoombar! Sie können in die Details hineinzoomen.
Die Karten sind aus dem kostenlosen Online-Archiv der David Rumsey Stiftung, dich ich vor 15 Jahren entdeckte und immer wieder besuche. Ich habe die zoombare Versionen hier direkt eingebunden, mit einem Klick auf jeweils die rechte obere Ecke kommen Sie zu davidrumsey.com und können dort in voller Bildschirmgröße arbeiten

ATLAS VON GOOS

Der Atlas von Pieter Goos, 1676, ist nur einer von vielen wunderschönen Atlanten aus der Frühzeit des Buchrucks. Zommen Sie hinein indie Details und entdecken Sie die  Schönheit und die faszinierende Technik des Kupferstichs zeigt, der für diese Bücher verwendet wird. Bedenken Sie: jeder Strich aus einer gewöhnlichen Schattierung musste in die Kupferplatte "gestochen" werden.

Die hier ausgewählte Seite - ein Gesamtweltdarstellung vor allem in Betrachtung der damals "neuen Welt" in der Variante von zwei Kugeln, zeigt auch die faszinierende Unvollständigkeit einiger Erdteile, die auf allen Karten zwischen 1500 und 1800  prägend waren: Nordamerika noch unvollständig, Arktis noch unbekannt, Australien = New Holand unvollständig.

Mit jeder Rückkehr eines Seefahrers, mit jedem Reisebericht, konnten die einzelnen Kartenverleger wieder mehr Details hinzufügen.





Faszination Kupferstich.

Ab 1400 gab es den Holzschnitt, der ab 1450 auch im Buchdruck verwendet wurde.

Bald aber schon arbeitete man nur noch mit dem Kupferstich. Die für Bücher verwendeten Abbildungen wurden also extra gedruckt, mit Kupferstichplatten, und dann im Buch eingefügt. Natürlich wurden Karten auch einzeln von der Kupferplatte weg gedruckt. Wenn man im Internet bzw. am PC die gedruckten Landkarten stark zoomt, dann kann man sie quasi unter der Lupe betrachten - und ist erstaunt über die Arbeit, die im Kupferstich steckt. Jede Schattierung muss mit vielen Linien oder Punkten dargestellt werden, jede einzelne Linie musste mm für mm in die Kupferplatte getrieben werden



















 Arte-Film über die Cassini Karten und die technischen Probleme der Vermessung
https://youtu.be/EUDnwjPtRmM


Hier die komplette BBC-Serie über "the beauty of maps"
https://www.youtube.com/watch?v=Ndijfk-ayuI&list=PL8418C0F0EB1AF70D


Das eingangs erwähnte Buch zur  Geschichte der Kartographie:






Die Entdeckung der neuen Welt - Amerika, Australien, Antarktis

Wenn man die Karten zwischen 1500 und 1800 betrachtet, ist es faszinierend zu sehen, wie die Welt erst sukzessive entdeckt werden musste.

Allein auf vier um 1502 entstandenen Weltkarten (Caverio, Cantino, Kunstmann II, Pesaro) bemühte man sich, die letzten Erkenntnisse über die Ostküsten der Neuen Welt zu berücksichtigen. Anscheinend ist Waldseemüller 1507 der Erste gewesen, der es wagte, eine klare Westküste einzutragen. Ansonsten findet man noch in den zwei Jahrhunderten danach nur unvollständige Weltkarten, da erst nach und nach die Reiseberichte von Seefahrern verarbeitet werden mussten.













Mercator

Der Kartograph Mercator entwickelte 1569 eine mathematische Methode, die ganze Erdkugel auf einer rechteckigen Fläche darzustellen. Noch heute bildet die "Mercartor Projektion" die Grundlage der üblichen Landkarten.

Denn - wie kann man die Kugelfläche auf eine ebene Fläche projezieren? Das geht nicht. Die Landkarten sind zwangsläufig alle verzerrt. Mercator hat Nord- und Südpol, eigentlich nur Punkte, extrem auseinander gerissen, ohne Computer, nur mit Mathematik. Aber es gibt andere Darstellungsmöglichkeiten, die man in der Geschichte der Kartographie benutzt und bis heute benutzen kann.



Mercator-Projektion. Die Pole werden auseinandergezerrt
so dass die Längengrade parallel laufen, obwohl sie eigentlich bei den Polen
zusammenlaufen
weniger starke Verzerrung



Betrachtung der Erdkugel von zwei Seiten;
noch geringere Verzerrungen




Vor 1300 wusste man nicht viel von der Erdkugel. Neinein, man glaubte nicht an eine Scheibe, auch die Kirche ging von einer Kugel aus (um die sich die Sonne dreht, das war der ganze Unterschied). Aber man kannte nur Europa, einen Teil von Asien und Afrika (eigentlich nur Nordafrika).

Man dachte, der Rest ist Wasser. Laut Bibel kann es ja nur drei Kontinente geben, entsprechend den drei Söhnen Noahs (die Einzeichnung eines viertel Kontintents, als Terra incocnita bezeichnet, wurde von der Kriche gar nicht gern gesehen).

Also stellte man die Erde oft als runde Scheibe dar, die so genannten Radkarten, z.T auch T-O-Karten genannt


Beispiele für Radkarten: 

Oben Asien, links unten Europa, rechts unten Afrika (der bekannte Teil von Afrika, eigentlich nur Nordafrika). Das Paradis ist oft auch eingezeichnet, manchmal auch die Gebiete, in denen die (aus der Apokalypse bekannten) Völker "Gog" und "Magog" wohnen.





Die berühmte Ebstorfer Weltkarte, ca 1300,  3,57 m im Durchmesser
https://de.wikipedia.org/wiki/Ebstorfer_Weltkarte


Weltkarte von Fra Maurus




Andere Darstellungsarten gab es damals, vor der Entdeckung der Neuen Welt, natürlich schon auch.

Ein Beispiel die Weltdarstellung in der Schedelschen Weltchronik, 1493, eine Art Geographie-Bestseller der damaligen Zeit. Die kennen Sie vielleicht schon, denn aus diesem Buch gibt es eine der ältesten Regensburgdarstellungen, die ich schon an der einen oder anderen Stelle gezeigt hatte.

Weltkarte aus Schedelscher Weltchronik






Mercator Kartensammlung in einer historischen Spezialausgabe:

Eine vollständige erhaltene Kartensammlung von Mercator in Form eines Unikat-Buchs von Mercator (ein Geschenk für seinen Mäzen) schlummerte lange Zeit in einer Buchhandlung in Belgien, bis es von einem Laien entdeckt wurde. Hierüber gibt es einen spannenden 3sat-Bericht: https://www.youtube.com/watch?v=4cloLbCD-zY


Wo gibt es Material?

Es gibt neben der David-Rumsey-Stiftung viele andere Portale für Karten, sehr viele Blogs und Webseiten von Kartographie-Fans, und überraschend viele Dokumentationen und sonstige Videos auf youtube über die Kartographie. Wenn man mit diesem Hobby einmal anfängt, bleibt es immer spannend.