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Samstag, 12. März 2016

Anamorphes Regensburg


Über das anamorphe Regensburg will ich schon seit Jahren schreiben. Nun ergab sich Anlass, um das notwendige Material zusammenzustellen, die Anfrage einer Künstlerin aus Berlin per email, die ich vor kurzem erhielt:
Hallo Herr Burkes! Ich bin per Zufall auf dieses Image gestoßen, dass mich zu Ihrer interesanten und engagierten website www.sd42.de geführt hat! Währen Sie so freundlich, mir die Herkunft oder Bedeutung dieses tollen Bildes zu verraten? Mit Besten Grüßen! xxx Bildende Künstlerin, Berlin



Ich habe recherchiert und ihr mittlerweile geantwortet. Und ich möchte an dieser Stelle meinen Lesern auch davon erzählen.

Nun, ich wusste genau, wie ich dieses Bild erzeugte, und es steckt tatsächlich eine interessante Geschichte dahinter.

Es hat aber ein bisschen gedauert, bis ich die Ausgangsdatei fand. Ich sammle nämlich gemeinfreie (urheberrechtsfreie) Bildschnipsel aus alten Landkarten und Büchern, aber davon habe ich unzählige auf der Festplatte. Nun, irgendwann fand ich es, und hier ist es, das zunächst unveränderte, ursprüngliche Bild. Eine Amillar-Sphäre, die man auf vielen alten Landkarten oder Atlanten findet.

Amillar-Sphäre


Aber woher habe ich das Bild? Aus der Rumsey-Landkartensammlung, auf der ich früher sehr gerne unterwegs war. Eine Suche  ergab überraschenderweise, dass es nicht eine Landkarte, sondern eine Buchseite war:



Es handelt sich um den Scan einer Buchseite aus einem Atlas. Wie bei der Rumsey-Sammlung üblich, kann man jeden Scan zoomen.

Davon habe ich wohl einen screenshot gemacht (die erste Datei oben).

Den Screenshot wiederum habe ich irgendwann mal mehrfach verfremdet, in diesem Fall mit Repligator 15 von Ransen Software, unter Verwendung des cylindrical-mirror-effekts:


Dieser Effekt wiederum ist genial, weil es die mathematisch-künstlerische Technik der Anamorphose aus der Renaissance benutzt, und mit der sich auch Dürer befasste



So entstanden dann Bilder wie diese, die ich wiederum zugeschnitten und gerahmt habe, und mit Titeln wie "Land in Sicht?" versehen habe, oder neutral ließ wie hier:



Die wiederum habe ich in einen Bilderpool hochgeladen, damit ich sie bei Bedarf in einzelnen Blogartikeln verwenden kann, nicht nur auf sd42, sondern auch auf anderen Blogs.

 Die Anamorphose

Die Anamorphose (siehe Wikipedia-Artikel zu Anamorphose) ist  eine mathematische Verzerrungstechnik, mit denen die Künstler ab der Renaissance gerne experimentiert haben. Auch Dürer übrigens.



http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/65/Fotothek_df_tg_0004615_Optik_%5E_Projektion_%5E_Reflexion_%5E_Spiegel.jpg/458px-Fotothek_df_tg_0004615_Optik_%5E_Projektion_%5E_Reflexion_%5E_Spiegel.jpg 

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/77/Anamorfosis03.JPG/440px-Anamorfosis03.JPG

Die Anamorphose wurde bei Deckengemälden in Kirchen und anderen Kuppelbauten verwendet,

Denn damit der Betrachter von unten das gewünschte Bild bekommt, muss der Maler oben in der Kuppel das Bild perspektivisch verzerren. Die Technik hatte also einen praktischen Hintergrund.



Die junge Künstlerin Stephanie Walter, die in Regensburg studierte und wunderbare Bilder malt, hat ihre Abschlussarbeit über die anamorphe Technik der Renaissance geschrieben, erzählte sie mir bei einer Vernissage. Ursprünglich wollten wir einen gemeinsamen Artikel darüber erstellen, aber sie ist mittlerweile nicht mehr in Regensburg und ich habe den Kontakt verloren. Daher will ich auch nicht länger mit diesem Artikel warten.



Stephanie Walter bei einer Ausstellung in der Städtischen Galerie im Leeren Beutel, 2012



Anamorphose mittels Software

Anamorphose kann durch Software imitiert werden. Hier zwei Beispiele, die ich mit Repligator von Ransen Software erstellt habe.


Mona Lisa, anamorphisiert mittels Software


Beispiel: Totenschädel im berühmten Bild "Die Gesandten"

Der berühmte Totenkopf: Entzerrte Detailaufnahme des Schädels im Bildvordergrund. Damals war es üblich, auf Bildern einen Totenkopfschädel mit aufzunehmen, um auf die Vergänglichkeit des Menschen hinzuweisen. Das sollte nichts Schockierendes sein, sondern war ein übliches Symbol, das man auf vielen alten Portraits findet.

Die Gesandten, von Holbein. Unten im Bild: verzerrte Darstellung eines Totenschädels. Siehe auch http://zoom.it/2NXW eine von mir erstellte zoombare Variante des Bildes
In diesem Bild ist der Totenschädel aber perspektivisch verzerrt, und somit versteckt im Bild eingebunden.

Entzerrter Schädel. Es gibt viele Aufsätze dazu im Internet


Die (zu dieser Zeit bei Malern beliebte) "Anamorphose" des schräg im Bildvordergrund stark verzerrt dargestellten Totenschädels löst sich dann zu einer normalen Ansicht auf, wenn man von der Horizontalen in einem Winkel von 27° vom rechten Bildrand her auf das Bild des Schädels herabschaut.

Anamorphes Regensburg


Die Anwendung der anamorphose-Technik auf Bilder von Regensburg fasziniert mich schon seit Jahren. Wenn man Mittelpunkt und Radius richtig wählt, kommen fantastische Bilder heraus, anderenfalls kann es aber schnell langweilig werden




Irgendwann entdeckt ich: alle Bilder mit Himmel lassen sich mittels richtiger Positionierung so umwandeln, dass scheinbar eine im Freien schwebende Insel entsteht. Daraus entstand im Laufe der Jahre eine Serie von Bildern, die ich "Regensburg ist eine Insel" nannte.






Irgendwann will ich auch eine Ausstellung dazu machen, allerdings habe ich bisher nur einige der Bilder vergrößern lassen und bei Ausstellungen gezeigt, z.B. bei der BRK-Ausstellung im BRK Minoritenhof im Jahre 2015








Etliche andere Bilder habe ich auf der Webseite regensburg-365.blogspot.de (Jeden Tag ein Bild von Regensburg) eingebunden, denn zwischen 2014 und 2015 verwendete ich dort hauptsächlich künstlerisch veränderte Bilder statt der üblichen Fotos.

Um mir die Arbeit zu sparen, auf der Festplatte nach den anamorphen Bildern zu suchen, habe ich von dort ein paar Screenshots gemacht (genauer von der amerikanischen Parallel-Plattform daily-picture-ratisbon).

Bitte verzeiht die Qualitätseinbuße. Direkt ansehen könnt Ihr die Bilder über diesen Spezial-Link: http://regensburg-365.blogspot.de/search/label/anamorph






Warum ich dieses Bild mit "Groundhog Day" betitelt hatte? Die Amerikaner verstehen es. Es geht um den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" (so  der deutsche Filmtitel) und auf der Brücke sieht man jemand, der sich bald selbst begegnen wird.












 Fortsetzung folgt