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Samstag, 17. September 2022

Karl May und der "Deutsche Hausschatz" - Illustriertenvorläufer aus Regensburg

 



Deutscher Hausschatz, Jahrgang 23, mit Karl May Foto aus Wikipedia
 (im Digitalisat dieser Ausgabe habe ich aber kein Foto gefunden - evtl. eine besondere Ausgabe?)


In den letzten Wochen blähte die BILD-Zeitung eine harmlose Instagram-Diskussion um den neuen Winnetou-Kinderfilm  zu einem angeblichen shitsstorm auf und verursachte anschließend mit falschen Schlagzeilen den Eindruck, die ARD sende wegen angeblichen Rassismus keine Winnetou-Filme mehr. Was nicht stimmt - die ARD sendet schon seit 2020 keine Filme mehr, jedoch nur wegen Ablauf der Lizenz. Aber wer liest schon mehr als die Überschrift.

Die missverständliche bzw. falsche BILD-Überschrift heizte jetzt erst so richtig einen echten shitstorm an. Deshalb, weil viele jetzt glauben mussten (BILD sei dank), man wolle ihnen ihren Winnetou verbieten. Und man müsse Karl-May vor Rassismus-Vorwürfen verteidigen. Das gipfelt darin, dass am Gillamoos Politiker demonstrativ in Winnetou-Verkleidung kamen. Und so manche Kabarettisten scheinen auch nur oberflächlich informiert zu sein, wenn ich mir ihre Pointen anhöre.

Dabei ging es ursprünglich nur um ein Begleitbuch zu dem neuen Kinderfilm "der junge Winnetou", das der Ravensberger Verlag im Sommer herausgeben wollte. Wohl bemerkt - ein Begleitbuch. Der Film selbst kam im August anstandslos heraus und wurde auch nie zurück gezogen (er hat auch kaum Eindruck hinterlassen). Und die alten Winnetou-Filme werden ebenfalls auch künftig auf ZDF gesendet. (Eine gute Reportage über den shitstorm: hier)

Der ganze Rummel um die Karl-May-Figur Winnetou hat mich aber daran erinnert, dass ich vor Monaten - nach einer sensationellen  Entdeckung -  eine Reportage angefangen hatte, die mit Regensburg und mit Karl May zu tun hat. Diese Reportage existierte lange Zeit als halb fertig gespeicherter Entwurf, jetzt habe ich ihn vollendet.

Es geht um die beim Pustet in Regensburg herausgegebene Zeitschrift "Der Deutsche Hausschatz", erschienen in der Zeit von 1873 bis 1953. 

Die Zeitung gilt von ihrem Konzept her als Vorläufer der "Illustrierten", die wöchentlich oder zweiwöchentlich erschien, und neben nationalen und internationalen Nachrichten auch Unterhaltung in Form von Romanen und Geschichten bot, ferner Rubriken wie etwa "Für die Frau", "Für die Jugend".

Karl May war einer der prägenden Autoren.  Bis 1910 hat er in dieser Zeitschrift er viele seiner Geschichten das erste mal veröffentlicht. 

Im Jahr 1878 war der Pustet Verlag an ihn herangetreten und so wurde er einer der Haus-Autoren des Deutschen Hausschatz. Im gleichen Jahr kamen auch erste Bücher von ihm heraus.

Dass Karl May Mitautor war, hat einen Vorteil: dass es vollständige Digitalisate  der  Jahrgänge bis 1909 gibt, liegt an der Karl-May-Gesellschaft, die auf ihrem Portal diese Ausgaben in hervorragender Qualität kostenlos zur Verfügung stellt:


Daneben gibt es noch ein paar Ausgaben, die von der Bayerischen Staatsbibliothek digitalisiert wurden.

 
Mein Fokus richtet sich aber nicht auf Karl May, der bekanntlicherweise seinen Lesern vorgaukelte, er habe die Abenteuer persönlich erlebt (als Old Shatterhand in Amerika, oder als Kara-Ben-Nemsi im Orient), obwohl er sich sein Wissen nur angelesen hatte. Wer sich dafür interessiert, soll mal bei Wikipedia anfangen, über den Autor zu lesen.

Eine der wenigen Fotos vom Autor Karl May, gefunden in der 23. Ausgabe


Mich  interessiert in dieser Reportage die Zeitschrift als solche, und dass sie als neues Konzept hier in Regensburg erfolgreich für viele Jahrzehnte herausgegeben wurde.  

Außerdem habe ich rare Fotos von Regensburg entdeckt, die ich hier vorstellen will.  Der Inhalt der Illustrierten hatte eigentlich keinen Regionalbezug. Es war eine landesweite Zeitschrift. Ich musste einige Zeit recherchieren, bis ich auch Artikel über Regensburg fand - und dort entdeckte ich alte Fotos von Regensburg, die mir bis dahin völlig unbekannt waren (die ich also weder in Foren noch sonst wo im Internet gesehen hatte). 


Die Zeitschrift

Es gab sie 1873 bis 1953 unter leicht unterschiedlichen Namen. Nach der Gründung durch Pustet und bis 1910 hieß das Blatt Deutscher Hausschatz in Wort und Bild, danach mit Beginn des 37ten Jahrgangs (Oktober 1910 – Oktober 1911) Deutscher Hausschatz – Illustrierte Familienzeitschrift.  Die Nachfolgepublikation nannte sich nur noch Hausschatz und erschien von 1953 bis 1960 (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Hausschatz)



Titelblatt ab der 1. regulären Ausgabe



Ab 19. Jahrgang (1892-93) neues Titelblatt mit u.a. Regensburgansicht

Digitalisate


Leitender Redakteur war ein Heinrich Keiter. 

Einer der Redakteure war Venanz Müller;  über ihn entdeckte ich die Zeitschrift. Denn in einem Buchartikel über alte Restaurants in Regensburg entdeckte ich eine Karikatur mit der Unterschrift "Stammgäste in der Weißen Lilie". Die Figuren wurden benannt als  Venanz Müller (mitte) links Brauereibesitzer Gerzer vom "Zum weißen Bräuhaus", rechts: Joh.Nep. Mühlbauer, Redakteur des Regensburger Anzeigers und Morgenblattes). 


Die Karikatur ließ mir keine Ruhe - ich wollte partout wissen, wer dieser Venanz Müller ist und für welche Zeitung er schrieb. Von den alten Regensburger Zeitschriften (wie dem Regensburger Anzeiger oder dem Morgenblatt) wusste ich natürlich längst aus früheren Recherchen. Es dauerte einige Zeit, bis ich den Redakteur der richtigen Zeitschrift zuordnen konnte, und so erfuhr ich von der Existenz des Deutschen Hausschatzes.

Anfangs gab es 52 Ausgaben pro Jahr, wobei Oktober bis Oktober einen Jahrgang darstellte. 

Ab den 13. Jahrgang gab nur noch 18 Hefte jährlich, später  24 Ausgaben (z.B. 1914).  

Zum Leitenden Redakteur Heinrich Keiter

Der Hausschatz-Redakteur Heinrich Keiter (1853–1898), der 1888 bis 1898 den Hausschatz leitete, und der mit Karl May arge Probleme hatte, hat einen Ratgeber verfasst, der indirekt auch aufschlussreich für seinen Umgang mit Karl May sein kann: »Praktische Winke für Schriftsteller und Zeitungs-Correspondenten«. Die Karl-May-Gesellschaft bietet ein Digitalisat der sechsten Auflage (Essen-Ruhr, Fredebeul & Koenen, 1899) an. (Scanvorlage: Günther Wüste. Scan: Ralf Schönbach)

Zu Keiter selbst siehe auch: 
Heinrich Keiter (* 17. Juni 1853 in Paderborn; † 30. August 1898 in Regensburg) war ein deutscher katholischer JournalistPublizist und Schriftsteller. Keiter schrieb auch unter dem Pseudonymen Georg Kampfmuth und J. Staarstecher. ...
1888 übernahm Keiter die Redaktion der Zeitschrift Deutscher Hausschatz. ...
Heinrich Keiter starb am 30. August 1898, im Alter von 45 Jahren, in Regensburg an Tuberkulose. Er war mit Therese (* 20. Juni 1859 in Melsungen; † 5. April 1925 in Regensburg), eine geborene Kellner, verheiratet.

Der erste Weltkrieg im Hausschatz

Beim Studium alter Zeitungen interessieren mich vor allem die Ausgaben, in deren Zeitraum Geschichte geschrieben wurde. Wie haben z.B. die Autoren einer Zeitung den Kriegsausbruch 1914 dargestellt? Das hat mich schon bei den Recherchen zu alten Regensburg-Zeitungen interessiert.

Was den Hausschatz betrifft: die geschichtlich sehr interessant Ausgabe 1913/14 fand ich  komplett hier:

https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/zeitschriften/hausschatz/40-1913-14/index.php

Dass die Hausschatz-Kommentare im Vorfeld und bei Ausbruch des Krieges nationalistisch,  patriotisch  und wenig sachlich waren, war zu erwarten - wenn auch doch ein wenig enttäuschend für mich. 

Wer diesen Zeitraum lesen will, muss den "40.Jahrgang" suchen, der von 1913 bis 1914 geht. Was den Krieg betrifft, fand ich den ersten Hinweis auf Seite 953, Ausgabe Nr. 20: "Ein Drama der Weltgeschichte, Erzherzog Ferdinands Ermordung". Das müsste der Juli gewesen sein: 

In der nächsten Ausgabe 21 wird zwar in der Hauschronik/Rundschau ein wenig über die Entwicklung nach der Ermordung erzählt, aber von Krieg ist hier nicht die Rede. Das müsste die Augustausgabe sein. Die Rubrik "Hauschronik" beginnt ab hier: https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/zeitschriften/hausschatz/40-1913-14/index.php?seite=1001

In der nächsten Ausgabe wird weiter über den Kriegsverlauf berichtet, wieder unter der Rubrik "Hausschatz-Chronik/Rundschau" (Ausgabe 22, müsste wohl September sein): https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/zeitschriften/hausschatz/40-1913-14/index.php?seite=1049

Ab der nächsten Ausgabe wird in der Chronik ein eigener Untertitel verwendet: "Der europäische Krieg": Seite 1092 https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/zeitschriften/hausschatz/40-1913-14/index.php?seite=1092

Und weiter, in der nächsten Ausgabe (natürlich immer noch im selben Jahrgang Nr. 40) auf Seite 1141 "Der europäische Krieg" : https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/zeitschriften/hausschatz/40-1913-14/index.php?seite=1141







40. Jahrgang; Sonderbericht über Attentat von Sarajevo








Rubriken für Frauen oder Jugend

Es gab Rubriken "Für die Frauenwelt" oder "Für die Jugend". Dort reinzulesen finde ich aus heutiger Sicht gruslig. Es war wirklich eine "katholische" Illustrierte. Wie verächtlich Frauen dargestellt wurden und wie höhnisch jegliche moderne Mode oder Ähnliches behandelt wurde, tut weh. Das durchzieht die vielen Jahrzehnte, wobei ich zugegebenermaßen nur Stichproben machte und nicht alles durchlas.


Rubrik "Für die Frauenwelt"; von einem Mann geschrieben

Rubrik "Für die Jugend"



Regensburg im Hausschatz

Auch wenn die Illustrierte von landesweiten und internationalen Geschehnissen berichtete, so gab es auch ab und zu Ereignisse in Regensburg, die interessant genug für eine Veröffentlichung waren. Allerdings fand ich lediglich den Aufsatz 

"Der Besuch der königlichen Familie in Regensburg"

https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/zeitschriften/hausschatz/40-1913-14/index.php?seite=948

Und hier fand ich Fotos von Regensburg, die eher unbekannt sind. Mit Bekannten diskutierte ich schon, an welchen Positionen die Aufnahmen entstand. Die ersten Fotos dürften beim Bahnhofsvorplatz in Richtung Altstadt geschossen worden sein.


Der Besuch der königl. Familie in Regensburg









Karl May im Hausschatz

Es gibt genug Geschichten von ihm, die ich nicht extra auflisten muss. Da muss man nur in das gut aufbereitete Register des Karl-May-Portals sehen.

Interessiert hat mich, ob ich etwas über den Autor selbst finde. Letztlich entdeckte ich nur im 3. Jahrgang (1897/98) ein paar Fotos von ihm. Hier als Kara Ben Nemsi. 

Wir erinnern uns: Karl May ließ die Leser im Unklaren, ob seine in Ich-Form geschriebenen Geschichten Fantasie oder echt sind. Man kann wohl sagen, er suggerierte den Lesern, er habe die Geschichten wirklich erlebt. Was die Geschichten deswegen nicht schlecht machen muss. 

Dass die geschilderten Indianer-Verhältnisse nur angelesen und zum Teil zusammen gereimt sind, weshalb die Neuverfilmungen nicht unbedingt überall gut ankommen, ist klar. Dass er umgekehrt positive Werte wie Freundschaft und Toleranz vermitteln konnte, ist bei Literaturkritikern unbestritten. Ansonsten: Karl May war schon zu seinen Lebzeiten höchst umstritten, da mag sich jeder selbst ein Urteil bilden (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_May und   https://www.karl-may-wiki.de/index.php/Karl_May). 

Ich selbst jedenfalls hatte als Kind sämtliche Bände in der grünen Ausgabe, bis hin zu den bayerischen Heimatromanen (Wurzelsepp), und hab sie mehrfach gelesen. Als ich mal als Heranwachsender rein schnupperte, war ich entsetzt, wie angeberhaft und kitschig er sich selbst als Held darstellte - darauf hin las ich die Bücher nicht mehr. Ich hätte aber nie einem Kind von den Büchern abgeraten - ich sah und sehe seinen Schreibstil  als Geschmacksache. 
 
Karl May

Karl May






Weitere Scans





Titelzeichnung 1876







Einführungsausgabe 1873


Einführungsausgabe 1873, Frontispiz


Titelbild ab 1. regulärem Jahrgang, 1874/75

späteres Frontispiz mit Regensburg-Foto (unten Mitte)





37. Jahrgang (1910/11) neues Titelblatt



Fingerhakeln in Oberbayern


Silvester 1900

Eine Illustrierte braucht "Romane"