Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Freitag, 17. November 2023

Miller-Retrospektive in Kallmünz



Diese Lust auf Farben - Josef Georg Miller
Retrospektive zum 40. Todestag
Überblick über das Schaffen eines der bedeutendsten Künstler der Region

"Galerie Bergsteig 1", Kallmünz
25.11. bis 17.12.2023

Vernissage: 24. November 19.30 Uhr


Öffnungszeiten: Samstag, Sonntag je 13.30 – 17.00 Uhr
Altes Rathaus Kallmünz und Bergsteig 1


Das Rahmenprogramm zur Ausstellung:

Mittwoch, 29. November 19 Uhr
„Geschichte ist für alle da“
Fotos & Geschichten seit 1900
Martin Schmid und Stefan Stoiber in Zusammenarbeit mit dem Bergverein Kallmünz e.V.


Donnerstag, 7. Dezember 19 Uhr
Vortrag : „Diese Lust auf Farben“ - Josef Georg Miller, inklusive Sendebeitrag des Bayerischen Rundfunks über Miller und Kallmünz von 1983


Sonntag 17. Dezember 17. 00 Uhr
Gaudete – Freuet Euch!
Adventskonzert der Chorgemeinschaft Kallmünz


Am 6. November 1983 abends wollte Josef Georg Miller entgegen seiner Gewohnheit noch einmal ums Haus gehen. Es war Nacht und Nebel. Wegen seiner Schwerhörigkeit konnte er das Auto nicht bemerken, als er die Straße überquerte. Er war sofort tot.  Die Ausstellung „Diese Lust auf Farben“ erinnert zum 40. Todestag mit einer großen Retrospektive an einen der bedeutendsten Künstler der Region.

Fritz Gebhardt, heute bekannt als Eugen Oker, besuchte als Redakteur der Mittelbayerischen Zeitung 1948 Josef Georg Miller in seinem Atelier in Kallmünz. Er rückte noch respektvoll seine Krawatte zurecht und glättete seine Haare, bevor er ins Atelier eintrat und einen Maler nur mit Lederschürze bekleidet antraf. Über den Künstler schrieb er:

„Jedes einzelne (Bild) ein Kunstwerk und wert, in einer Ausstellung zu hängen… In der Ausdrucksform möchten wir ihn zwischen Van Gogh und Schmidt-Rottluff festlegen, doch sprengt seine Eigenwilligkeit jeden Rahmen. Ein Expressionist mit einem unerhörten Können… Wir glauben nicht falsch zu urteilen, wenn wir ihn neben XAVER FUHR als den bedeutendsten Maler in unserem Heimatgebiet betrachten.“

Die Ausstellung ergänzt und erweitert das Bild von Miller, das bisher bekannt ist. Für die Retrospektive hat der Galerist Marti Mayer einen Querschnitt von Millers Werken zusammen getragen. Die Themenbereiche seiner künstlerischen Tätigkeit in verschieden Arbeitstechniken und Schaffensphasen: Portrait und Selbstportrait, Stillleben, Landschaft, Kinder, Mütter mit Kindern, Menschen in ihrem Alltag, Akte und das Ende durch den Autounfall.

„Diese Lust auf Farben“ spiegelt einen meist heiteren, frohen, sehr lebendigen Maler, zeigt aber auch großartige Zeichnungen von Miller, die bisher kaum zu sehen waren.

Am 4.4.1944 kamen Erna und Josef Georg Miller zu Fuß mit schweren Koffern Als Miller in den Ferienort Kallmünz kam, konnte von „Ferien“ keine Rede sein. Er kam auch nicht, weil in dem Ort so berühmte Maler wie Wassily Kandinsky und Gabriele Münter oder Karl Schmidt-Rottluff gemalt hatten.

In Kriegszeiten gibt es existentielle Gründe. Erna und Josef Georg Miller suchten eine Töpferei, die sie übernehmen konnten, Neugründungen waren in Kriegszeiten nicht erlaubt. Nach langem Suchen in ganz Bayern wurden sie schließlich in Kallmünz fündig und konnten die Töpferei Glötzl übernehmen, in der übrigens Wassily Kandinsky während seines Aufenthalts im Sommer 1903 getöpfert hatte. Das Paar konnte jetzt dem Bombardement von München entkommen, wo sich die beiden an der Akademie für Töpferei kennen gelernt hatten.

Das Talent von Miller wurde schon früh erkannt, dennoch machte er erst eine Ausbildung als Zimmerer im Betrieb seines Onkels. Kunststipendien brachten ihn nach Stuttgart und dann nach Leipzig, wo er an der staatlichen Kunstakademie bei Prof Willi Geiger und Hans Soltmann studierte.
Nach einem weiteren Studium in Stuttgart kehrte er in den 30er Jahren wieder nach Leipzig zurück, wo er als freier Künstler arbeitete, bis eine neue Kulturpolitik freies Arbeiten für Künstler erschwerte oder verbot.
Aus der Kunsthalle in Leipzig wurden drei Arbeiten von Miller als „entartet“ entfernt und vernichtet, als Hitlers Kunstvorstellung durch die Museen wütete. Da Miller keine „rosaroten Akte“, wie er es formulierte malen wollte, kehrte er zu seinem Brotberuf als Zimmerer zurück. 1941 kam er schließlich nach München und begann das Studium der Keramik. Vom Kriegsdienst war er wegen seiner Schwerhörigkeit freigestellt.

Die Vorgaben der Kulturpolitik des Hitlerregimes, der Krieg und schließlich die Not nach dem Krieg, behinderten den Weg des Künstlers, aber sie konnten ihn nicht verhindern. Die Kunstgeschichte hat den Begriff der „verschollenen Generation“ geprägt, zu der auch Josef Georg Miller zu rechnen ist.
Der Broterwerb zwang das Paar aber Keramik herzustellen, womit sie recht erfolgreich waren. Später eröffneten sie ein Kinderheim. Die Not der Kinder und die Sorge für sie sicherte ihren Lebensunterhalt. Nach dem Krieg hat keiner Geld um Kunst zu kaufen. Dennoch begann Miller wie ein „Besessener“ zu malen und zu zeichnen. Tausende Bilder und Zeichnungen entstanden.

Der findige Galerist Martin Mayer konnte auch frühe Holzschnitte von Miller aus der Zeit in Leipzig finden. Diese Arbeiten sind stark expressionistisch geprägt. Die Linolschnitte sind reduziert auf eine ausdrucksstarke Geste. Als Miller in Kallmünz arbeitet wird er in jeder Hinsicht freier, seine Bilder sind geprägt von starken, leuchtenden Farben. Und er malt alles, was ihm begegnet und immer wieder Kallmünz. Die Straßen, Gassen und der Schlossberg erscheinen oft eigenwillig verzerrt in allen denkbaren Farbkompositionen, rot, lila, grün blau, je nach Stimmung.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Motive sind Kinderbildnisse. In dem Kinderheim, das zum Teil bis zu 50 Buben und Mädchen aufnahm, fand er sie jederzeit: Buben beim Lesen, Mädchen beim Spiel, Kinder ins Gespräch vertieft, beim Stricken, Spielen oder über Hausaufgeben brütend. Die Bilder sind stark fokussiert auf genau eine Haltung, Pose oder Geste.

Die Ausstellung im historischen Rahmen des Alten Rathauses und in der Galerie Bergsteig 1 zeigt einen Überblick über das vielfältige Werk von Miller. Von frühen expressiven Holzschnitten aus seiner Zeit in Leipzig bis zu späten Bildern, die sein Ende vorausahnen lassen, ein großes Ölbild mit einem Autounfall.





Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog.