Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Freitag, 17. August 2018

Thema Radfahrerfallen


Der Grünstreifen als zusätzliche Belastung für das mitfahrende Unterbewusstsein?
Unfallstelle Kumpfmühler / Fritz-Fend-Straße


Das Thema Radfahrer-Unfälle soll uns hier weiter beschäftigen.

Auslöser der aktuellen Medienberichte (und auch meiner Blogartikel) waren die tragischen Unfälle der jüngsten  Zeit durch Rechtsabbieger, zuletzt bei der Kumpfmühlerbrücke.

Das sind keine Einzelfälle, über die man hinweggehen kann, sondern es gibt einen dramatischen Anstieg von tödlichen Unfällen -  und zwar nicht nur in Regensburg.  So hieß es in Nordrheinwestfalen in einer Meldung aus dem Juni 2018: "Schon Sechs Tote bei Abbiege-Unfällen mit LKW in Nordrhein-Westfalen seit Januar 2018". Der ADFC schrieb weiter: "Zum Vergleich: 2017 kamen im gesamten Jahr acht Menschen bei solchen Unfällen ums Leben." Es scheint ein bundesweiter Trend zu sein.

Es ist deshalb begrüßenswert, dass sich die Mittelbayerische dem Thema in der letzten Woche angenommen hat. Und es ist wichtig, dass wir alle uns damit beschäftigen.




Das Thema beschäftigt mich persönlich jedenfalls schon seit Jahrzehnten. Nicht nur, weil es damals  hier in meiner Nähe (Kreuzung Greflinger Straße) zu einem tragischen Unfall mit einem getöteten fahrradfahrenden Kind kam (wieder durch einen abbiegenden LKW), sondern auch, weil ich mich während meiner aktiven Zeit als Anwalt laufend mit Verkehrsunfällen beschäftigen musste.

Das hat mich auch sensibilisiert, aufmerksam  auf Psycho-Fallen im Verkehr zu achten. Da der durchschnittlicher Autofahrer im heutigen Verkehr permanent überfordert ist (das ist jetzt kein Witz, aber es gab in den 90ern ein Fachbuch für Verkehrsrechtler mit dem Titel "Der überforderte Kraftfahrer") spielt das Unterbewusstsein eine große Rolle. Dort ist Erfahrungswissen gespeichert, also Erfahrungswerte über typischerweise Abfolgen im Verkehr.

Das Unterbewusstsein fährt mit und hilft, mit der Fülle von Informationen klar zu kommen. Aber wenn die Situation anders ist, wenn die Ampeln unglücklich geschaltet sind, wenn die Besonderheiten einer atypischen Kreuzung das Unterbewusstsein täuschen, oder wenn plötzlich Linksverkehr auf Radfahrerspuren eingeführt wurde, auf den der Kraftfahrer noch nicht programmiert ist, dann wird es kritisch.

Auch wenn theoretisch nichts passieren dürfte, da  wir ja immer hundertprozentig konzentriert fahren sollen. Aber das ist nicht immer möglich.

Auch die Unfallstelle an der Kumpfmühlerstraße ist eigentlich korrekt konstruiert. Trotzdem gehörte sie für mich schon immer zu den unangenehmen Stellen, was das Rechtsabbiegen und die Angst vor Radfahrern betrifft. Interessant ist, dass die im MZ-Artikel zitierten Verkehrsfachleute genau das aussprachen, was ich mir bisher auch dachte: der zusätzliche Grünstreifen zwischen Straße und Radweg/Fußgängerweg erschwert die Orientierung. Offenbar ist das bekannt. Bei einer Recherche fand ich dann auch folgenden Artikel des UDV über eine UDV-Studie aus dem Jahre 2013. Dort heißt es an einer Stelle:
Unfall-auffällig waren an Ampeln vor allem Radwege, die zwischen zwei und vier Meter von der Straße abgesetzt waren. (UDV-Studie 2013 https://udv.de/de/medien/mitteilungen/abbiegende-pkw-gefahr-fuer-fahrradfahrer)
Offenbar weicht die Situation von der unterbewusst abgespeicherten typischen Situation ab.

Wie auch immer, die Stadt Regensburg weiß davon und überlegt Änderungen. Wobei auch eine andere (vorsichtigere) Ampelschaltung als Lösung überlegt wird. Hier müssen wir uns also nicht mehr darum kümmern.


Eine sei Jahren komplexe und sich ständig ändernde Kreuzung: Kumpfmühler Straße. Leider ist sie nicht immer so schön geregelt wie auf diesem google-earth-screenshot


Was ich persönlich auch fürchte, ist die Abbiegestelle "D.-Martin-Luther-Str. in Luitpoldstraße". Ich hasse diese Stelle seit Jahren. Vor allem nachts, oder wenn es dann auch noch regnet und die Fensterscheiben "verperlt" sind, fürchte ich, einen Radfahrer zu übersehen. Aber hier konnte ich bisher nicht herausfinden, was an der Situation anders ist als andere ähnliche Kreuzungen in Regensburg. Möglicherweise ist es keine Psychofalle, sondern ein Standardproblem: hält man an der Kreuzung eine Zeitlang und fährt dann als Rechtsabbieger los, dann hat sich von hinten eventuell ein Fahrrad genähert, angehalten (dann ist das Dynamo-Licht aus) und ist in dem Lichterwirrwarr nicht sichtbar, wenn es losfährt. Oder es nähert sich im fliegenden Start ein unbeleuchtetes Fahrrad. Oder es nähert sich in dem Moment, da die Ampel auf grün schaltet, ein korrekt beleuchtetes Fahrrad, aber das Licht geht in dem bereits genannten Lichterwirrwarr unter. Wie gesagt: bei Nacht und Regen und den dahinterliegenden vielen Lichterquellen habe ich trotz höchster Konzentration immer noch Angst, ein Fahrrad zu übersehen.

Psychofallenabbau



Generell gilt es, Psychofallen abzubauen, nicht nur was Radwege betrifft. Das machen die Verkehrsbehörden auch - ich konnte das über die Jahre verfolgen. Dort wo sich Unfälle häuften, wurde die Ampelschaltung geändert, oder die Verkehrsführung, oder man führte einen Kreisel dort ein, wo über Jahre hinweg immer wieder unkonzentrierte Autofahrer über eine querende Bundesstraße schossen im irrigen Glauben, sie führen auf einer durchgehenden Vorfahrtsstraße.

Man kann Psychofallen nicht immer vorher erkennen, da muss man die Behörden in Schutz nehmen. Denn wenn man sich viele der Stellen bewusst ansieht, ist einem eigentlich schon klar: "hier muss ich Vorfahrt gewähren. Verstehe gar nicht, was hier gefährlich sein soll". Dort zeigt dann erst die Statistik,  dass hier "die Unterbewusstseine getäuscht" werden.

Ein dramatisches Beispiel ist eine unscheinbare Steinwand neben einer Tunneleinfahrt, gegen die vor Jahren zweimal hintereinander Autofahrer mit jeweils 120 km/h gedonnert sind - ungebremst und ohne Hinweise auf Suizid. Man musste annehmen, dass das Unterbewusstsein getäuscht wurde, und die Steinwand als die rechte Tunneleinfahrt angesehen wurde. Bei bewusstem Hinsehen war die eigentliche Tunneleinfahrt aber schon deutlich erkennbar. Aber man konnte sich vorstellen, dass bei halbbewusstem Fahren das Unterbewusstsein die Farben, Flächen und Linien falsch interpretiert hat.

So weit ich weiß, unternahm man dann Gegenmaßnahmen an dieser Stelle und markierte die Steinmauer deutlich.

Es gibt aber auch vermeidbare Psychofallen, z.B. die unglücklich geregelt Stelle Hemauerstraße - D.-Martin-Luther-Straße. Auf die gehe ich im nächsten Artikel ein.