Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Freitag, 23. April 2021

23. April 1809 - als Napoleon Regensburg veränderte

 

Prise de Ratisbonne. Rugendas



Und wieder jährt sich der 23. April 1809. Der Tag, der das Stadtbild von Regensburg änderte. 

Im Laufe der napoleonischen Kriege hatten die Österreicher die Stadt besetzt und die Stadttore dicht gemacht, um die heranrückenden Franzosen abzuwehren. Napoleon und seine Soldaten schossen mit Kanonen auf die Stadt, die eigentlich politisch auf Frankreichs Seite waren. 

Ewa dort, wo heute die Martin-Luther-Straße in die Altstadt führt, schafften es die Franzosen, eine Bresche in die Mauer zu schießen. Soldaten drangen ein, eilten im Schutz der Stadtmauer rüber zum (ebenfalls umkämpften) Peterstor und öffneten es. Jetzt konnten die Franzosen erst richtig die Stadt stürmen. Sie jagten die Österreicher durch die Altstadt und über die Steinerne Brücke nach "Statt am Hoff", dem heutigen Stadtamhof, das damals eine eigene Stadt war. Die Österreicher zogen sich - nach Straßenkämpfen in Stadtamhof - auf den Dreifaltigkeitsberg zurück und schossen dort mit Kanonen auf die Franzosen in Stadtamhof und richteten erheblichen Schaden an.

Das ist die Kurzfassung, die spannende Langfassung können Sie in kostenlos aufrufbaren Erzählungen von Wackenreiter, Wittmann oder anderen Autoren nachlesen - und in entsprechenden Blogartikeln hier aus früheren Jahren (Liste am Ende).

Aber sehen wir uns diesmal die Auswirkungen auf das Stadtbild an:

Durch das stundenlange Bombardement im Bereich zwischen Peterstor (Höhe Fröhliche-Türken-Straße) und Stadtosten (Höhe Von-der-Thann-Straße) wurden große Teile der südlichen Altstadt zerstört.

  • Der Teil rechts und links von der heutigen Maximilianstraße war so zerstört, dass er komplett abgerissen und ein neues Stadtviertel gebaut wurde - mit rechtwinkligen Straßen (findet man in der Altstadt sonst nicht) und einer breiten Straße zu Ehren von Maximilian. Am südlichen Ende, dort wo das heutige Maximilianhotel ist, wurde ein Tor in die Stadtmauer geschlagen - für Fußgänger. Bisher gab es nur drei Tore im Westen Süden und Osten, und natürlich der Turm am nördlichen Ende der Steinernen Brücke, als vierter Ausgang nach Norden. Das Maxtor war ein neuer, fünfter Ausgang. Die Allee als Verlängerung zum Bahnhof entstand aber erst Jahrzehnte später.
     
  • Das Kloster Mittelmünster, das sich neben dem Kloster Obermünster befand, wurde so zerstört, dass die Ruine in den Jahren darauf abgerissen wurde. Das ist der Abschnitt zwischen Fröhliche Türken Straße und der Mitte der Obermünsterstraße (inkl. heutigem Parkhaus Petersweg). 
     
  • Die Gegend um Dachauparkhaus/Dachauplatz und östlich davon wurden ebenfalls stark beschädigt und konnte nicht überall so aufgebaut werden, wie es vorher war. Insbesondere gab es dort das Klarissenkloster, das unwiderruflich zerstört wurde.
     
  • Der nördliche Turm der Steinernen Brücke, den es damals noch gab (der so genannte Schwarze Turm, mit der Funktion als Grenze von Regensburg zu Bayern) wurde so beschädigt, dass er abgerissen wurde.
     
  • Und Stadtamhof wurde so stark beschädigt, dass die Hauptstraße dort neu erbaut wurde.
     
  • Insgesamt wurde in Regensburg ein Fünftel des Hausbestands und einige Kirchen beschädigt.
Die Schlacht an diesem Tag führte also zu starken Veränderungen im Stadtbild. 

Interessanterweise hat Napoleon schon ein paar Jahre vorher das Leben in Regensburg umgestürzt.

Denn im Rahmen der vorangegangenen napoleonischen Kriege (Koalitionskriege) gab es 1803 eine Neuordnung des bisherigen Heiligen römischen Reichs (siehe Reichsdeputationshauptschluss). Regensburg verlor dabei seine Freiheit als  "freie Reichsstadt" und wurde einem Fürsten übertragen, aber was das Schlimmste war: der immerwährende Reichstag löste sich auf, alle Gesandten zogen ab, und Regensburg fiel schlagartig in die Bedeutungslosigkeit einer Bezirksstadt zurück (so ist es vielleicht mal auch den Leuten in Bonn gegangen - das war nämlich tatsächlich mal Hauptstadt der BRD, liebe Kinder)

Und auch nach dieser Schlacht von 1809 hat Napoleon Regensburg nochmals verändert. Denn im Zuge der napoleonischen Kriege kam es 1810 dazu, dass Regensburg Teil des frisch gegründeten Königreichs Bayerns wurde. 


Ob man wegen all dem Napoleon verabscheuen muss, ist eine andere Frage. Denn von Historikern wird darauf hingewiesen, dass es die jeweiligen Allierten ("Koalitionspartner") waren, die Napoleon zu den Kriegen faktisch gezwungen haben. Es war vor allem Österreich, das nach vier Kriegen gegen Napoleon 1809 den fünften Koalitionskrieg eröffnete.  Außerdem seien es die feindlichen Österreicher gewesen, die die Stadt besetzt hatte; die Österreicher hätten im übrigen selbst geplündert und Brände gelegt. Die  verbreitete  Napoleonfeindlichkeit in Regensburg ist tatsächlich ein bis in die heutige Zeit reichendes Problem. Man denke an den heftigen Streit 2012 über die Inschrift in Stadtamhof (z.B. https://www.regensburg-digital.de/antinapoleonischer-befreiungskrieg-des-heinrich-wanderwitz/21092012/).  Ich will sie nicht fördern - wegen geschichtlicher Ereignisse Hass zu entwickeln, ist Unsinn. Ohne die Änderungen wären wir nicht am Leben. Ohne Napoleon wäre es nicht zur Gründung des Königreich Bayerns gekommen. Und wenn man sich mehr mit den Koalitionskriegen beschäftigt hat, muss man einsehen, dass die Entwicklung viel komplizierter ist, als es beim ersten Hinsehen zu sein scheint.











In einer späteren Auflage des bekannten Buchs von Wackenreiter "Die Erstürmung von Regensburg" findet man Pläne, aus denen sich das Ausmaß der Zerstörung ergibt (schattierte Flächen):

Plan im Buch von Wackenreiter (1865er Auflage)
https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-MDZ-00000BSB10380436













Bild aus dem Buch von Wackenreiter, Ausschnitt; Stadtamhof von Norden aus gesehen



Beschädigung bzw. Zerstörung des Schwarzen Turms 1809 


Schwarzer Turm