Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Sonntag, 31. Mai 2020

Noch leckerer: Restaurant Leerer Beutel

Nachdem die Lokale auch innen wieder öffnen dürfen, habe ich vor ein paar Tagen bei Winfried Freisleben und seiner Frau vorbei gesehen. Diese betreiben den Leeren Beutel und müssen natürlich in diesen Zeiten wie alle Gastronomen um ihre Existenz kämpfen.

Nun - die News zusammengefasst: der Außenbetrieb wurde vom Stammpublikum sofort angenommen, der Innenbetrieb läuft noch sehr zäh an. Als ich um 19 Uhr ging, waren nur drei Tische besetzt. Mit den ausgedünnten Tischen ist es derzeit eines der geräumigsten und luftigsten Lokale in der Stadt, trotzdem sind die Leute noch vorsichtig.

Für die Betreiber ein finanzielles Debakel. Aber für uns Gäste hat die verminderte Tischbesetzung einen  unerwarteten Vorteil. Denn Winnie, der schon immer auf eine gute Speisekarte Wert legte, hat sein Personal eingeschworen: die Küche soll noch filigraner werden, noch ausgefeilter. Die reduzierte Gästezahl erlaubt hier einiges, das sonst aus organisatorischen Gründen oder wegen Lieferprobleme nicht möglich gewesen wäre.

Experimentiert! sagte er zu den Köchen. Ich ließ mir Beispiele für die Verfeinerungen aus der Karte erklären - tatsächlich, die Hauptspeisen und einzelne Desserts noch ausgefeilter als sonst. 

Und nach wie vor, beziehungsweise mehr denn je, gelte das Motto  "Regionale Küche" . Womit jetzt nicht die Rezepte gemeint sind, sondern die Zutaten.

Die neuen Öffnungszeiten findet ihr weiter unten bei den Fotos. Pfingstsonntag ist aber abends ausnahmsweise geöffnet.




Finanziell ist der Umsatzeinbruch natürlich ein Debakel, denn Winnie will die circa-10-Mann-Küche aufrechterhalten, ohne jemand zu kündigen. Kurzarbeit wird natürlich auch in Anspruch genommen, aber eigentlich wäre das Personal aktuell zu reduzieren.
Das will er aber nicht: "Sollte sich der Umsatz im Herbst wieder erholen, dann will ich ein gut ausgebildetes und eingeführtes Personal und nicht irgendwelche Hilfskräfte, die ich schnell organisiere. Auf Qualität beim Essen wie beim Personal habe ich nun mal schon immer Wert gelegt."


Das kann ich aus der Beobachtung der letzten Jahrzehnte bestätigen. Und darum erzähle ich hier etwas über die Geschichte des Leeren Beutel. Das habe ich ansatzweise schon früher gemacht, aber vielleicht nicht in dieser Zusammenfassung:

Der Leere Beutel und das Ehepaar Freisleben

Ein "Power Paar" hat sie die Mittelbayerische mal genannt - zu Recht. Seit 31 Jahren sorgt Winnie dafür, dass hier nicht nur qualitativ gute Küche serviert wird, sondern er kümmert sich auch um den Bereich Jazz (als Vorsitzender des Jazzclubs) und bringt sein Interesse für Kunst ein, indem er (zusätzlich zur Städtischen Galerie im I. Stock) in seinem Lokal unter professioneller Kuratierung Ausstellungen organisiert (unter dem Namen Jazzgalerie).

Damit war er ein Glücksgriff für die Stadt Regensburg, als diese Ende der 80er Jahre das gesamte Haus renovierte und zum "Kultur-Zentrum" umfunktionierte.  Darunter versteht man eine Versammlungsstätte in einem Gebäude, das Räumlichkeiten für Kultur, soziale Projekte und Gastronomie einer Stadt unter einem Dach vereint.

Das ist in diesem Gebäude (das, wie das Lokal selbst, ebenfalls Leerer Beutel heißt) hervorragend gelungen: Zusammen mit dem Jazz-Club, der Film-Galerie im ersten Stock und der Städtischen Galerie mit vielen Ausstellungsflächen in Kombination mit dem von einem kulturbeflissenen Inhaber betriebenen Lokal hat sich der Leere Beutel über alle Erwartungen hinweg entwickelt.

Ich erzähle diese Geschichte immer wieder gerne, und ich habe das Lokal schon früher beweihräuchert, weil es wirklich eine gelungene Story ist:

Vor der Renovierung des gesamten Haues gab es in dem Restaurant über 10 Jahre lang fast jährlich einen Pächterwechsel und das Lokal war aus Gäste-Sicht einfach stets uninteressant.

Nach der Renovierung des Gebäudes, bei dem auch das Lokal selbst in einem nie erlebten Glanz erstrahlte, hatte die Stadt einen Pächter gesucht. Und als sich herumsprach, dass Winfried Freisleben es werden sollte, waren wohl so einige zunächst skeptisch. Denn Winnie und seine Frau hatten zwar als Betreiber der Kulturkneipe "Einhorn" und als Jazz-Fan  einen hervorragenden Namen, aber können die beiden auch ein großes Restaurant führen?

Sie konnten, und wie. Das brauche ich den Regensburgern hier nicht weiter zu erzählen. Und durch ihre kulturellen Interessen waren die beiden nicht irgendwelche Restaurantbetreiber, sondern stellten die ideale Besetzung für das  Kulturzentrum "Leerer Beutel" dar. Man kann nur beten, dass die Corona-Krise diese Erfolgsstory nicht beeinträchtigt. Die jahrelangen ständigen Baustellen in der Bertoldstraße sind schon unverschämt genug.



Übrigens, was die Verbindung mit dem Jazz-Club betrifft, der oft die große Halle im EG links benutzt: Als Vorläufer des heutigen Jazzclub e.V. (eines der größten Jazz-Clubs Deutschlands) gilt die Kulturkneipe Einhorn, wo das Ehepaar Freisleben ab 1985 Konzerte veranstalte. 1987 wurde dann der Verein "Jazzclub Regensburg e.V." gegründet, der ein Jahr später, zusammen mit dem Ehepaar Freisleben als Pächter, in das Restaurant Leerer Beutel umzog. 











Beispiele aus der Karte:



Foto vom 1.6.



Winni Winfried Freisleben und seine Frau, kurz vor dem Startschuss zur Hausfeier im April 2014
https://www.regensburger-tagebuch.de/2014/04/11-13-april-feiern-im-gemeinsamen.html