Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Samstag, 9. Mai 2020

Regensburger Internet-Radio-Sender "Ghost Town Radio"



Auf regensburg-digital las ich vorhin einen Bericht über einen neuen Regensburger Internetradio-Sender namens Ghost Town Radio. Der läuft immer am Wochenende, also auch jetzt gerade. Und bei mir läuft er schon eine halbe Stunde lang, ohne dass ich den Wunsch hatte, umzuschalten . Und das ist für mich persönlich schon mal bemerkenswert.

Der Sender bringt nicht nur gute Musik, sondern beleuchtet die lokale Musikszene und DJ-Szene. Es gibt eine eigene Unterseite, in welcher die DJs vorgestellt werden. Und diese wiederum dürfen offenbar einzelne Sendestunden selbst gestalten. Betrieben wird der Sender von Adam Lederway, und mehr Infos über ihn und sein Projekt findet ihr auf diesem Artikel auf regensburg-digital

Die Webseite findet man über google nicht so einfach (lediglich den Spotify-Kanal); die Webadresse lautet:




Ganz unten auf der Webseite findet ihr ein Kästchen zum Live Mithören.




Die Webseite und das ganze System war für mich zunächst verwirrend. Aber im Laufe des Zuhörens wurde mir einiges klar. Denn als der Moderator von der Band "Village Green Society" sprach, die er mit gegründet habe, kam ich nach kurzer Recherche darauf, dass das nicht der Sendebetreiber sein kann.

Und richtig, im Programm heißt es für die Zeit von 19.00 bis 20.00 Uhr, dass hier der Musiker Daniel Noyman die Sendung gestaltet, der wiederum zusammen mit Toby Emm das Akustik-Rock-Duo Village Green Society bildet. Übrigens hat dieser schön gesprochen, ohne ähm und öhm (was ich persönlich im Radio nur schwer ertrage) und mit guten Informationen über die Regensburger Szene.

Auf der Webseite sind Playlists von DJs eingestellt, die aber nicht zum "Anklicken" sind, wie ich zuerst dachte. Es sind offenbar die Listen, die die DJs in ihren Sendebeiträgen verwenden.

Ich weiß nicht, ob mir alles gefallen wird. Aber ich möchte auf den Sender hinweisen, so dass das jeder selbst für sich beurteilen kann.

Er ist jedenfalls eine herrliche Abwechslung im Vergleich zu den bisherigen "Lokalrundfunksendern", die ihren Namen kaum verdient haben. Denn über Lokales wird hier kaum berichtet. Und wer etwas die Hintergründe kennt (und das tue ich deshalb, weil ich in den neunziger und nuller Jahren im Bereich Lokalrundfunkrecht Prozesse führen musste) wundert sich auch nicht.

Im Gegensatz zu engagierten Radiomachern wie Bertelshofer (Radio2Day), Ruland (früheres Jazz-Radio), Prater (W2 in Würzburg, von den etablierten Ketten vernichtet), Pfefferlein (früheres Radio Aladin in Nürnberg) oder Familie Prokscha (extra radio Hof) stehen hinter Gong und Charivari kommerzielle Senderketten, die "Gong"-Gruppe  und die "Oschmann"-Gruppe. Und hier geht es einfach um simple kommerzielle Interessen und darum, möglichst flächendeckend in Bayern vertreten zu sein.

Und auch egoFM ist letztlich eine kleine Kette und kein echter Regensburger Sender, wenn auch mit bemerkenswert interessantem Musikkonzept und anfangs so gut wie keiner Werbung. Aber von persönlich-engagierter Berichterstattung über die lokale Szene, wie ich sie mir bei einem Lokalsender vorstelle, kann hier bei aller Sympathie -  ehrlicherweise - auch nicht gesprochen werden

Und wenn man mal in Regensburg im Stau steht, weil irgendwo der Verkehr zusammen gebrochen ist und alles Umleitung fährt, muss man auf allen Lokal-Sendern bis zum nächsten Nachrichtenblock warten, um überhaupt mal Infos zu bekommen, was los ist. Und diese Infos bestehen dann regelmäßig aus dem kurzen Satz,  dass es wegen einer Autobahnsperrung zu Staus in der Stadt kommt - aber wo und wie man ausweichen könnte, bleibt unklar.

So stelle ich mir Lokalradio nicht vor. Und deshalb war ich oft am Verzweifeln, wenn ich zusehen musste, wie die von mir betreuten "kleinen" (bzw. von der Behörde kleingeredeten)  Radiomacher gegen die Macht der kommerziellen Senderketten kämpften und sie keine Hilfe von der Münchner Behörde (der BLM) erhalten. Im Gegenteil - in der Regel mussten sie ihre Überlebenskämpfe und Prozesse so führen, dass BLM und Konkurrenz Hand in  Hand kämpften. Ein bekanntes Problem in der bayerischen Szene, und sogar die Nachbarländer wussten von unseren Zuständen.

Unser (Teil-) Sieg vor dem BVerfG in den neunzigern mag in der Rundfunkszene spektakulär gewesen sein, er hat nicht wirklich etwas geändert an der Konzentrationspolitik der BLM. Er hatte lediglich ein klein wenig die formale Position in Prozessen gefördert, aber ich musste über zwei Jahrzehnte lang zusehen, wie diese enagierten unabhängigen Radiomacher verzweifelt  gegen mächtige Senderketten (und gleichzeitig gegen die Aufsichtsbehörde BLM) um das Überleben kämpften. Und das war das etwas, was mich unendlich wütend und ohnmächtig machte. Ich bin heilfroh, dass wir vor fünf Jahren,  nach zweijähriger Suche, zwei Nachfolger finden konnten, die mich von diesem Kampf erlöste, der mich zwei-einhalb Jahrzehnte lang beschäftigt hatte. Die Nachfolger mussten übrigens das Gefühl der Ohnmacht und Fassungslosigkeit genauso kennen lernen.

Immerhin, ein kleiner Trost: Radio2Day und extra radio gibt es noch. Und extra radio hätte sich eigentlich Anfang der 90er verabschieden sollen, weil sie sich ernsthaft geweigert hatten, sich in eine Betriebsgesellschaft mit der Oschmann-Kette zwingen zu lassen, und unabhängig bleiben wollte.