Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Samstag, 22. Juni 2019

Hintergrundwissen zur bayerischen Geschichte


In diesem Beitrag will ich dem Besucher des neuen Regensburger Museums der bayerischen Geschichte helfen, indem ich ihm das Grundgerüst für die bayerische Geschichte zeige. So wird einiges in der Ausstellung klarer.

Ich selbst habe mich über viele Jahre hinweg immer wieder mit dieser komplexen Materie der bayerischen Geschichte beschäftigt -  und war jedesmal auf's Neue  verwirrt. Auch der Wikipedia-Artikel "Geschichte Bayerns" erschlägt mit Details und überfordert den Neueinsteiger.

Aber ich denke, ich habe mittlerweile einen Weg gefunden, die Geschichte  so zu vereinfachen, dass sie einem Neueinsteiger hilft. Das hier ist sozusagen "meine kleine Geschichte Bayerns".

Die drei Phasen

Vereinfacht gesehen haben wir drei große Abschnitte in der Geschichte Bayerns (bzw. Baierns, wie das bis zum Jahre 1825 hieß, bevor der griechenbegeisterte König Ludwig I. das Ypsilon einführte):
  • Herzogtum/Kurfürstentum 555 bis 1806 (mit einer kleinen Unterbrechung)
  • Königreich 1806 bis 1918
  • Freistaat 1918 bis heute







555-788
frühes Herzogtum

911-1806
späteres Herzogtum (ab 1623 Kurfürstentum)
ab 1806
Königreich
ab 1918
Freistaat

Bekanntlicherweise geht die Dauerausstellung im Obergeschoß des Museums nur auf die Zeit von 1806 bis heute ein. Das Bayern davor wird in dem Film angesprochen, der im Erdgeschoß im 360-Grad-Panoramaraum kostenlos präsentiert wird.



Herzogtum/Kurfürstentum

So etwa um 500 n.Chr. bildete sich aus dem im bayerischen Raum (Kerngebiet: Donau bis Alpen) aus den dort ansässigen oder eingewanderten vielen Volksstämmen sowie den übriggebliebenen Römern ein "Volk", das in den geschichtlichen Büchern als Bajuwaren bezeichnet wurde. Ab 555 ist als politisches System das Herzogtum aktenkundig, wo jeweils ein Herzog über sein Gebiet regiert (über ihn standen die Könige des Frankenreichs, vor 788, oder die Kaiser des Hl. Römischen Reichs, bis 1805).

Bei dieser  ersten Phase der Herzogtums haben wir zwei Besonderheiten.

a) Ab 1623 wurde dem baierischen Herzog die Kurfürstenwürde verliehen, so dass er den Kaiser mitwählen durfte. Ab diesem Zeitpunkt ist es üblich, das vom Herzog beherrschte Territorium "Kurfürstentum" zu nennen. Daher gibt es alte Landkarten, bei denen es  z.T. "Herzogtum Baiern", zum Teil aber auch "Kurfürstentum Baiern" heißt, je nach dem, welche Zeit dargestellt wird. Wenn man davon absieht, dass auch ein Kurfürstentum im Kern ein Herzogtum ist, könnte man also auch in vier Abschnitte unterteilen.



b) Und eigentlich gibt es da noch eine Zäsur in der Phase des Herzogtums: im Jahre 788 ließ Karl der Große den damaligen Herzog Tassilo III absetzen und verurteilen. Von 788 bis 911 gab es dann kein Herzogtum, der Kaiser regierte Baiern direkt. Erst ab 911 taucht wieder ein Herzog auf, diesmal nicht mehr aus dem Geschlecht der Agilolfinger.

In den Jahrzehnten vor der Absetzung Tassilos hatten die Herrscher des Frankenreichs übrigens auch andere Herzogtümer nach und nach entmachtet; Baiern war als letztes dran (Einzelheiten in diesem wunderbaren Beitrag, den ich auf den HDGB-Seiten fand)

Man müsste also genau genommen in ein früheres Herzogtum und späteres Herzogtum unterscheiden. Der Prozess gegen Tassilo wird übrigens von Historikern als wahrscheinlicher Scheinprozess gewertet. Es ging dem Kaiser wohl mehr um eine Machtsicherung - das ist das, was in dem Video im Erdgeschoß im "Museum der bayerischen Geschichte" angedeutet wird (Näheres zu Tassilo findet man auf Wikipedia oder dem schon genannten Beitrag)

Wenn man diese zwei Besonderheiten berücksichtigt, sieht das Schema nicht mehr ganz so einfach aus:


Da bleibe ich doch lieber bei meinem vereinfachten Schema.

Während der ganzen Phase von Baiern als Herzogtum/Kurfürstentum (bis 1806) hatte sich das Gebiet ständig geändert, und zum Teil auch gewaltig geändert. Das Gebiet ging zeitweise runter bis Italien; Kärnten gehörte mal dazu, und Österreich auch - das wurde 1156 von Baiern abgetrennt (durch Barbarossa, hier bei uns, nahe Regensburg, in Kreuzhof!) . Von 1392 bis 1505 gab es wegen Erbteilungen sogar bis zu drei bayerische Herzogtümer, und natürlich auch Krieg untereinander.

Ein animiertes Video über die Gebietsänderung (speziell für Bayern, nicht für Deutschland) fand ich bisher nicht, hier müssten mal die Fachleute ran.

Außerordentlich interessant wäre jetzt, das  Zusammenspiel mit der Regensburger Geschichte zu betrachten. Aber das ist Stoff für einen anderen Artikel, und das wird auch im Haus der bayerischen Geschichte nicht weiter thematisiert.

Königreich und Freistaat

Nur diese zwei zeitlichen Abschnitte werden in der Dauerausstellung im ersten Stock des neuen "bayerischen Museums" behandelt. Also die Geschichte ab dem 1.1.1806, als Baiern/Bayern zum Königreich wurde, und damit auch die Geschichte ab 1918, als Bayern zum Freistaat wurde.

Das Königreich entstand 1806 aus dem Herzogtum heraus. Das Herzogtum Baiern hatte im dritten der sechs napoleonischen Kriege ("Koalitionskriege", 1792 bis 1815, siehe Wikipedia) an der Seite Frankreichs gekämpft und 1805 gewonnen. Nach dem Sieg belohnte Napoleon das Baiern nicht nur mit neuen Gebieten, sondern auch durch die Erhebung zum "Königreich". Der amtierende Herzog wurde zum König, und nannte sich ab jetzt König Maximilian der Erste (Maximilian I.)

Die Kriege gingen allerdings weiter, und Baiern/Bayern war darin verwickelt; das Volk musste leiden (das wird auch im Museum thematisiert).

Um das mal kurz zu erklären: die Koalitionskriege waren nicht etwa Kriege eines machthungrigen Napoleons (wie ich lange Zeit selbst vermutete), sondern Kriege anderer Länder gegen Frankreich, die die Auswirkungen der Französischen Revolution befürchteten. Es gab ständig wechselnde Bündnisse, daher der Name "Koalitionskriege". Im Laufe dieser Kriege wurde unter anderem das "Heilige Römische Reich" zerstört (somit auch der immerwährende Reichtag in Regensburg), und die Landkarte in Europa musste ständig umgeschrieben werden.

Auf eines möchte ich näher eingehen: 1871 wurde erstmals das "Deutsche Reich" gegründet, und Bayern wurde Teil davon.  Das Dt. Reich war eine Art "Fusion" der bisherigen deutschen Länder, nicht einfach ein Bündnis, wie davor. Das Königreich Bayern verlor damit fast vollständig seine Selbständigkeit (als eigenes Land), behielt aber ein paar Rest-Souveränitäten (Souveränität = Recht, sich selbst Gesetze zu geben und sich so als Staat oder Land zu betrachten) .

Bayern blieb bemerkenswerterweise formal weiterhin "Königreich" mitsamt seiner politischen Struktur, konnte aber nur noch auf wenigen Sachgebieten Gesetze erlassen.

Dieser effektive Verlust der Selbständigkeit im Jahre 1871 wird im Museum angesprochen und ist gemeint, wenn es heißt "Bayern verliert seine Selbständigkeit". Das Verwirrende dabei: es bleibt trotzdem Königreich.

Ein Teil der Regentschaft des Märchenkönigs Ludwig II fällt übrigens in diese Zeit der relativen Machtlosigkeit. Das half dem König wohl nicht sonderlich gegen seine Depressionen.

Ich habe  nun versucht, die allerwichtigsten Eckdaten für diese zwei Phasen "Königreich und Freistaat" in einer Grafik darzustellen, damit Sie eine Hilfe beim Besuch des Museums haben. Dort erfahren Sie durchaus noch mehr Einzelheiten (nicht dass Sie glauben, die hier angesprochenen Punkte sind schon alle Themen).



1806 - 1918
Königreich Bayern


aber ab 1871  Teil des Dt. Reichs
ab 1918
Freistaat Bayern


ab 1949 Teil der BRD
Besonderheiten:


ab 1808 eigene Verfassung mit ersten demokratischen Ansätzen (Einführung einer Volksvertretung, die mit bestimmt)


ab 1871 (unter Ludwig II) wurde Bayern Teil des neuen Dt. Reichs und damit den größten Teil seiner staatlichen Selbständigkeit; ein paar Rechte blieben aber noch und das Königreich blieb offiziell bestehen.

Reihenfolge der Könige
  • König Maximilian I.
  • König Ludwig I. (Ludwig-Donau-Main-Kanal; Affäre Lola Montez; Rücktritt als Reaktion auf die in der Märzrevolution erzwungenen Reformkurs)
  • König Maximilian II. (Sohn von Ludwig I.)
  • König Ludwig II. (Märchenkönig mit mysteriösem Tod, ab 1886 entmündigt; bekannt durch Neuschwanstein, Schloss Linderhof mit Venusgrotte, Wagner-Fan, Technik-Fan)
  • Otto I. (ab 1886, aber wg. Geisteskrankheit von Anfang an regierungsunfähig und durch Kronprinzen vertreten)
  • Ludwig III. (1913 - 1918)






Besonderheiten:


7.11. 1918: Novemberrevolution unter Führung von Kurt Eisner führt zu Sturz des Königs und Ausrufung des "Freistaats" Bayern.

Durch "Gleichschaltung" im Jahre 1833 verlor Bayern als eigener Staat seine Bedeutung, erst General Eisenhower stellte im September 1945 Bayern offiziell als Staat wieder her (im Museum nicht thematisiert)

Ab 1945 Bayern als Transitraum für Millionen von Flüchtlingen aus dem Osten

1946 Verfassung des Freistaats Bayern

Ab 1949 Bayern wird Teil der BRD

Ab 1950 Wirtschaftswunder beim Automobilbau in Bayern (Goggo in Dingolfing, BMW-Isetta, Messerschmitt-Kabinenroller, Janus von Zündapp, Spatz von den Viktoriawerken etc.)

Ab 1955 Gastarbeiter auch in Bayern, 1959 Giuseppe Guarino aus Neapel kommt und eröffnet in Grafenau 1971 die erste Pizzeria und Eisdiele.

1972 Olympiade in München

1979 Ballonflucht DDR nach Hof (bzw. Naila)

Ab 1985 Kampf gegen die WAA


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