Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Donnerstag, 13. Mai 2021

Regensburg damals - Autohaus Völker und SOPI-Tankstelle in der Runtingerstraße



Anlässlich des Vatertags gibt es heute einen Artikel, der mit meinem vor sechs Jahren verstorbenen Vater zu tun hat, und gleichzeitig ein Stück jüngere Geschichte von Regensburg reflektiert - auch wenn es nur ein unbedeutendes Mosaikstück ist.

In den Fünziger und Sechzigerjahren gab es eine Sopi-Tankstelle und ein Autohaus neben dem Josefskrankenhaus: dem Autohaus Völker. 

Diese Tankstelle war nicht an der Landshuter Straße, wie ich lange Zeit vermutete, sondern in der Runtingerstraße, die damals von der Landshuter bis zur Guerickestraße durchging. Die Tankstelle war etwa dort, wo bis vor ein paar Jahren die Notaufnahme des Krankenhauses war.

Mein Vater führte die Tankstelle, als ich klein war. Soweit ich das rekonstruieren kann, muss das in dem Zeitraum um 1958 bis 1961 gewesen sein. Mein aus dem Regensburger Raum stammender Vater hatte 1956 in Stuttgart für die Gasolin als Tankwartausbilder gearbeitet. Anlässlich meiner Geburt 1957 kam er nach Regensburg zurück, führte dort anfangs eine kleine Gasolin-Tankstelle vor dem Maximilian-Hotel (doch, die gab es!) dann die Sopi-Tankstelle beim Autohaus Völker, um die es hier geht, danach ab ca 1961/62 die Tankstelle in Regenstauf und etwa um 1966 die C&C Meister Tankstelle in der Donaustaufer Straße.

Ich kann mich daran erinnern, wie ich gelegentlich meinen Vater in der Tankstelle beim Autohaus Völker besuchte. Es gab eine ovalförmige, gläserne Tankwart-Kabine, die damals verbreitet war. Von da aus sah man in einen großen u-förmigen Hof, umsäumt von Garagen und Werkstätten voller Leben. Meine "Tante B" arbeitete dort, von der ich hier schon gelegentlich berichtet habe, und ein guter Bekannter der Familie, damals ein junger Mann - ich nannte ihn Onkel Toni. Er hatte später auch an der Regenstaufer Shell-Tankstelle mit gearbeitet und es gibt ein Foto, wo er mich im Leiterwagen über das Gelände fuhr.



Nachdem ich über Regensburg zu bloggen begonnen hatte, fing ich auch irgendwann an, über diese Tankstelle zu recherchieren. Ich hatte nur die Erinnerungsfetzen im Kopf. Aber ich konnte die Tankstelle nicht lokalisieren.  Von meinem im Jahr 2015 verstorbenen Vater erfuhr ich fast nichts, das Thema kam erst kurz vor seinem Tod zur Sprache und er erinnerte sich nur noch an wenig. Die Suche im Internet nach alten Luftbildern oder Fotos war frustrierende, weil ich die Lage nicht richtig eingeschätzt hatte.  Im Laufe der Jahre erfuhr ich doch noch einiges über meine Tante und über Onkel Toni, ein klein wenig über meine Mutter. Aber vor allem Martin Kempter habe ich unschätzbare Hilfe bei den Recherchen zu verdanken. Mittlerweile sind die Recherchen abgeschlossen.

Demnach ergibt sich folgendes Bild:

Besitzer der Gebäude war ein Herr Greller oder Ehepaar Greller. Mieter war dann ein Herr Völker, der dort in der Rechtsform "Autohaus Völker KG" eine DKW-Vertretung in der Runtingerstraße betrieb. Die Runtingerstraße ging, wie gesagt, damals von der Landshuter bis in die Guerickestraße durch.  Heute würde man sie nur noch nördlich des Krankenhauskomplexes finden, das Rumpfstück von der Landshuter Straße her ist heute eine Zufahrt zum Krankenhaus.

Soweit man das aus alten Luftbilder rekonstruieren kann, existierte der Komplex schon 1956, und war damals entweder im Bau oder im Umbau. Damals mit einer Shell-Tankstelle, jedenfalls war auf einem der Luftbilder das Logo erkennbar. 

Offenbar gab es anfangs 1958 einen Wechsel und bei der Tankstelle einen Umbau. Danach führt die Tankstelle Benzin der Marke SOPI, wie ich aus einem Foto aus dem Bestand meiner Tante entnehme. Luftbildaufnahmen von 1960/61 fand ich nicht.

Meinte Tante B wurde von meinem Vater als Tankwartsfrau eingearbeitet, angeblich die erste weibliche Tankwartin in Regensburg. Sie arbeitete später auch bei der Waschanlage mit und war dort sehr gefragt, weil sie sehr akkurat und sauber arbeitete. Manche verlangten ausdrücklich, dass sie die Wagenpflege übernehmen sollte.

Die Werkstätten arbeiteten  auch - und wohl überwiegend - für die in der Nähe stationierten Bundeswehr,  daher war dort viel los. Gearbeitet wurde in zwei 14-Stunden-Schichten. Möglicherweise gab es spezielle Kooperationsverträge mit der Bundeswehr.

Die u-förmige Anlage war zum Krankenhaus hin gerichtet. Dazu erzählte mir mein Vater folgende Anektode: Einmal forschte ein Mechaniker nach der Herkunft eines Geräusches. Er saß am Beifahrersitz, das eine Bein rüber gestreckt zum Gaspedal, und horchte. Irgendwann ist ihm der Gang reingerutscht. Unter seinem Hilfegeschrei fuhr das Fahrzeug an der Zapfsäule vorbei, quer über die Runtingerstraße und donnerte an die Mauer des Krankenhauses. Ein Dutzend Fenster gingen auf und ebenso viel Schwestern sahen heraus. Und der Mechaniker rief "alles in Ordnung, alles in Ordnung, nichts passiert".

Zur Tankstellenmarke erzähle ich später mehr. Hier zunächst Luftbilder und Adressbucheinträge. Hier zeigt sich, wie wertvoll es ist, wenn man Adressbuchsammlungen besitzt, denn über das Internet gibt es nur wenig digitalisierte Adressbücher.



Runtingerstraße 1958


1956. Einige der Werkstätten sind im Bau oder Umbau




Vergleich damals und heute









Die gezeigten Bilder von 1958 zeigen eine leerstehende Anlage, bei der offenbar die Tankstelle umgebaut wird (die alten Shell-Zapfsäulen von 1956 sind hier entfernt).

Bilder von einem "lebendigen" Betrieb fand ich nur in folgender Senkrecht-Luftbildaufnahme von 1958. Bilder aus den folgenden Jahren fand ich keine. Das ist auch nicht so schlimm - mir ging es in den Jahren darum, überhaupt den Ort für dieses Autohaus zu finden.

1958, offenbar nach Inbetriebnahme der neuen Tankstelle. 


Tante B an der Zapfsäule (mit Blick zum Krankenhaus)
und im Häuschen (mit Blick nach Südosten)



Fotos von meinem Vater in diesem Umfeld habe ich keine.

Dass das Autohaus wirklich "Völker" hieß, bestätigte erst der Fund in alten Adressbüchern. Es gab also ein Autohaus Völker und eine Firma Autohaus Völker KG. Sie war AUTO-UNION / DKW Vertragshändler, womit klar wird, warum wir kurzzeitig einen DKW fuhren. Ein äußerst elegantes Auto übrigens. Ich kann mich noch gut an die Form erinnern, und wenn ich heute die Oldtimer-Bilder ansehe, könnte es ein schwarzer F-93 oder F94 gewesen sein.


DKW F93 (aus Wikipedia)








DKW und Auto Union

Bei Wikipedia ist nachzulesen, dass DKW schon 1932 zur "Auto Union" fusioniert ist. Genau genommen war es so:

Im Jahr 1928 übernahm der Kleinwagen- und Motorradproduzent Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen AG, bekannt durch seine Marke DKW, die Audiwerke AG Zwickau. Beide Unternehmen gingen in der Mitte 1932 gegründeten Auto Union AG, Chemnitz auf, zu der noch die Zwickauer Horchwerke AG und das Fahrzeugwerk Siegmar der Wanderer-Werke in Schönau bei Chemnitz gehörten. Symbolisch zum Ausdruck kam der Zusammenschluss der vier Pkw-Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer im Auto-Union-Firmenzeichen mit den verschlungenen Ringen, dem heutigen Audi-Logo.


Aber trotzdem wurden Produkte unter dem Markennamen DKW weiter gebaut und vertrieben, und zwar bis 1966. Deshalb wurden bei der Anzeige beide Markennamen verwendet.

Die Entwicklung der Marke ist sehr komplex, man kann sie in Wikipedia zu "DKW" und "Audi" nachlesen. Interessant für hier vielleicht nur: Nach dem Krieg wurde die Chemnitzer "Auto Union AG" gelöscht, aber die DDR (oder wer auch immer) hatte vergessen, die Marke "Auto Union" zu sichern.

 Daher konnte Anfang September 1949 mit Krediten der Bayerischen Staatsregierung und Marshallplan-Hilfen die Zentraldepot für Auto Union Ersatzteile GmbH zur Auto Union GmbH umbenannt werden (1969 Fusion zur Audi NSU Auto Union).

Das ist vielleicht der Grund, warum im Adressbuch von 1963 zur Adresse "Runtingerstr. 23" an erster Stelle steht "Freistaat Bayern" und dann erst Autohaus Völker KG. 


etwas merkwürdig: die zusätzliche Nennung von "Freistaat Bayern"



Das Tankstellenhäuschen

Ovale Tankstellenhäuschen waren damals offenbar typisch. Obwohl ich als dreijähriges Kind eigentlich wenig Vergleiche hatte, fand ich das Rundglas in der Kabine äußerst faszinierend. Ich habe sonst kaum Erinnerungen an die Zeit als Dreijähriger, aber ich weiß noch gut, dass ich verwundert nach diesem gebogenen Glas gefragt habe.


1956; damals noch Shell.

1958, die Shell-Zapfsäulen fehlen. Also gibt es zumindest an der Tankstelle einen Umbau



Zur Marke SOPI.

Natürlich habe ich im Laufe der Zeit auch zur Tankstellenmarke Sopi recherchiert. Es ist äußerst seltsam, aber hier findet man so gut wie nichts über diese Marke - keinen Wikipedia-Eintrag, und auch sonst keine Darstellung im ganzen Internet. Sie wird nur am Rande erwähnt, und zwar, wenn man über Conoco oder Jet liest.

Dabei gab es offenbar eine (europäische?) SOPI Minerölprodukte GmbH mit immerhin gut 400 Tankstellen in Deutschland und Österreich. Die wurden 1960 von der Firma Conoco übernommen. Conoco ist eigentlich eine Abkürzung von "Continental Oil Company", einer US-Firma.

Die Conoco  übernahm dann 1961 auch die Jet Petroleum LTd (wohlbemerkt: Conoco übernahm Jet und nicht umgekehrt) und stellte aber die bisher betreute Sopi-Marke auf Jet um, möglicherweise aus Gründen der Einheitlichkeit und weil Jet schon verbreiteter war.

Den Hinweis auf die Übernahme von SOPI und JET (und somit die einzige Information über SOPI) verdanke ich einem Eintrag zur Marke JET  in: https://www.brandslex.de/branchen/tankstellen 

Conoco als Unternehmen gibt es heute als conocoPhillips, siehe  https://de.wikipedia.org/wiki/ConocoPhillips

Epilog

Die Tankstelle hatte keinen großen Einfluss auf meine Kindheit, aber sie hat mich trotzdem jahrelang beschäftigt. Wie so oft, wenn man über Vergangenes zu recherchieren beginnt, verbeißt man sich. Weniger weil es um meine Kindheit ging - das hat mich noch nie sonderlich beschäftigt - sondern weil es um das frühere Regensburg geht. 

Und mit diesem Blog-Artikel kann ich nach vielen Jahren endlich dieses Thema abschließen.

Mein Vater arbeitete übrigens nicht immer als Tankwart. Später war er als Angestellter bei der Firma "Vertrieb Neuer Baustoffe" beschäftigt und war dort als sehr angenehmer und beliebter Mitarbeiter geschätzt.