Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Dienstag, 17. November 2015

Die "WOCHE" brachte es an den Tag

Gastartikel von Rüdiger Baumgärtner,
November 2015


Zwei Urgesteine des Regensburger Journalismus´ präsentierten am 09.11.2015 im Leeren Beutel ein Buch, das bei vielen Zuhörern Erinnerungen an Geschehnisse wachrief, die sie alle noch im Gedächtnis hatten: Die hundert besten Geschichten der „Woche“.

Josef Titz, damals der jüngste Chefredakteur der ganzen Bundesrepublik, und Manfred Rohm, der langjährige Redakteur, hatten die über 1580 Exemplare der „Woche“ durchforstet, die von 1968 bis zum 23. Dezember 1998 in Regensburg erschien.



Die ihrer Meinung nach zugkräftigsten Reportagen wählten sie aus und brachten sie in Buchform. Dabei steht jedes Mal einem Abdruck der Originalseite ein Kommentar gegenüber, der entweder zusätzliche Informationen zu den damaligen regionalen „Sensationen“ liefert oder zeigt, dass viele Themen in nur leicht abgewandelter Form noch oder wieder ihre Bedeutung haben.

Während im Buch die interessantesten Namen alle geschwärzt wurden, waren sie in der „Woche“ noch unmaskiert zu lesen. Das ging vom Mord des Zuhälter-Königs Peter Berger an seinem Nebenbuhler um die Gunst der Juliana Streich über die Millionenpleite eines der größten deutschen Autovermieter Rupert Buchbinder bis zum Wurstfabrikant Horst Kerscher und seinen Känguruh-Knackern.


Die „Woche“ als Zeitung ohne Abonnenten, die sich jede Woche ihre Käufer neu erkämpfen musste, tat dies mit einer Mischung aus Skandalberichten, einer Prise Sex auf dem Titelblatt, die man heute kaum mehr Sex nennen würde, und gründlich recherchierten Nachrichten aus dem Geschäftsleben und der Politik der Region.

Hier zeigte sich die Handschrift des Chefredakteurs „Jupp“ Titz, der von seinen Redakteuren verlangte, dass sie sich unters Volk mischten, sich ein Netz von Informanten aufbauten und daraus ihre Artikel strickten. Diese Volksnähe war es dann, die jeden Donnerstag zwischen zwanzig- und dreißigtausend Leser zum Kauf dieses einzigen in Deutschland wöchentlich erscheinenden Boulevardblattes veranlassten.

Die Anzahl derjenigen, die hofften in der „Woche“ genannt zu werden, und derer, die dasselbe befürchteten, dürfte sich dabei die Waage gehalten haben. Während auf den ersten Seiten die Größen aus Politik und Wirtschaft ihr Lob oder -öfter noch - ihr Fett abbekamen, füllten meist auf der letzten Seite unter „wer - wann- wo“ die B- und C-Promis die Spalten.

Ein internationales Medienecho rief im Februar 1982 die Reportage über den sprechenden Geist „Chopper“ hervor, der in der Neutraublinger Zahnarztpraxis Bachseitz sein Unwesen trieb, Patienten und Besucher beschimpfte und seine Kraftausdrücke und Rülpser aus dem Spülbecken, aus Steckdosen und sogar aus der Toilettenschüssel ertönen ließ. Bis aus Japan kamen Anfragen an die Redaktion, der Parapsychologe Prof. Bender aus Freiburg biss sich die Zähne an „Chopper“ aus und Reporter aller großen Blätter Deutschlands gaben sich in der Woche-Redaktion die Klinke in die Hand. Die Auflage schnellte auf fast 60000 Exemplare hoch, bis sich letztendlich herausstellte, dass eine junge Zahnarzthelferin die Urheberin der Chopper-Sprüche war und mit Wissen ihres Chefs das Rauschen im internationalen Blätterwald verursacht hatte.


An Weihnachten 1998 erschien die letzte Nummer der „Woche“, nochmal mit Fürstin Gloria auf der Titelseite, mit „Peitschen-Sex“ als Aufmacher und im Innern u.a. mit einer bunten Mischung aus Politik, dem Weihnachtsmenue (Lammkeule) von Manfred Rohm, der Ankündigung des Negerländer-Festivals zum 15jährigen Bestehen und einem recht wehmütigen Nachruf von Benno Hurt auf eine Zeitung, in der mutige Redakteure die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes noch „beim Namen nannten“.

Seit 17 Jahren ist die „Woche“ nun Geschichte und seit 17 Jahren vermisse ich sie.

Ich vermisse u.a. die auf knappen 30 Seiten komprimierten klugen politischen Kommentare, die genau recherchierten Skandale und Skandälchen, von Horst Hanske die herzerfrischenden Glossen, Karikaturen und tollen Fotos, die gescheiten Geschichten aus der Welt der Kultur von Harald Raab und die Insiderberichte aus dem Sportgeschehen.

Ich vermisse die vielen Begegnungen in der Stadt, in Kneipen und Cafés oder im Stadion mit Uli Beer, Dieter Nübler, Hanno Meier und mit Eddi, dem immer noch geheimnisumwitterten Berliner, wenn er mit der unvermeidlichen Zigarette im Mundwinkel einhändig seine Aufnahmen aus der Hüfte schoss.

Und in der jetzigen Zeit, in der die Gender-Wahnsinnigen schon in Schnappatmung verfallen, wenn einmal das absurde „...Innen“ an einem männlichen Wort fehlt, in der der Deutsche Presserat und dann die großen Presseagenturen vorgeben, was wie geschrieben werden darf, in der Bilder, die einst „mehr als tausend Worte“ sagten, nur mehr sinnlos verpixelt abgedruckt werden, in der bei noch so klarer Faktenlage alles zum „Mutmaßlichen“ degradiert wird, in einer Zeit also, in der dem Götzen „Political Correctness“ gehorsam jeglicher Nachrichtenwert geopfert wird, fehlt eine Zeitung wie die „Woche“ ganz besonders.


Wenigstens in den vorgenannten 100 Geschichten ist die „Woche“ noch einmal auferstanden. Das Buch ist in sehr guter Qualität beim Gietl-Verlag in Regenstauf erschienen und dort oder im Buchhandel erhältlich.

Hier der zweite Autor Manfred Rohm, jetzt noch aktiv in der „Rundschau“ als Sepp Grantlhauer.

Rosi Thoma

Josef (Jupp) Titz im Gespräch mit Frau Hanske (links)

Heiner Gietl vom Gietl-Verlag


Albert Krausenecker, ehemaliger Disco-König (Disco Starlight), Jetzt Chef des „Chinesen-Stammtisches“, Damals oft in den Schlagzeilen der Woche.