Regensburger Tagebuch

Notizen von der nördlichsten Stadt Italiens

Freitag, 27. Juli 2018

Burgfriedensäule Nr. 12 „Vitusbachsäule“ kehrt nach 37 Jahren an ihren Platz zurück




Am Mittwoch, dem 25.07.2018 wurde ein Abguss der Burgfriedensäule 12 in Kumpfmühl aufgestellt.



Sorgfältig hoben die Herren Bühler und Peters von der Firma Monolith, welche auch das Bruckmandl restauriert hatte, mit dem Kran erst den Sockel vom Wagen, befestigten ihn,  und setzten dann den Schaft der Säule vorsichtig in das Spundloch des Sockels ein. Ganz so einfach, wie sich das schreibt, ist das natürlich nicht - da muss ausgerichtet und gemörtelt werden.  Den Fachleuten zuzusehen, wie Sockel und Säule aufgestellen, war für uns Laien-Beobachter faszinierend


Burgfriedensäulen sind Grenzmarkierungen, also Grenzsteine, um die politische Grenze für das Stadtgebiet Regensburg zu markieren, den "Burgfrieden". Darüber hatte ich berets berichtet und über die beiden Privatforscher Kempter und Jauck, die mittlerweile auch ein Buch dazu veröffentlicht hatten und im Salzstadel im Jahr 2016 eine Ausstellung zum Thema veranlasst hatten.







Die Burgfrieden-Grenze wurde ab 1496 zunächst mit 21 Kreuzsäulen vermarkt. Diese wurden nach und nach durch witterungsbeständigere Kopfsäulen ersetzt. So wurde auch Säule Nr. 12 im Jahre 1612 am Nordosteck des späteren Karmelitengartens direkt neben dem heute verrohrten Vitusbach neu gesetzt.

Im Jahr 1981 wurde die Säule, von der nur noch das Oberteil mit einem Teil der Wappen aus dem Erdreich herausschaute, wegen der bevorstehenden Bebauung vom historischen Museum geborgen und nach einigen Jahren der Einlagerung schließlich im Reichstagsmuseum aufgestellt.

Dort wurde sie von Herrn Kempter und Herrn Jauck als Säule 12 des Regensburger Burgfriedens identifiziert – lange Zeit hatte sie nämlich in der Fachliteratur als die in Wirklichkeit verschollene Säule 11 gegolten. Durch die Auswertung alter Fotos und Karten, unterstützt vom Staatlichen Vermessungsamt, sowie durch Befragung von Zeitzeugen konnte ihr ursprünglicher Standort ermittelt und in die heutige Örtlichkeit übertragen werden.

Auf Initiative der beiden Burgfriedenforscher Martin Kempter und Manfred Jauck konnte mit Hilfe der Welterbekoordination eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Partnern zur Wiederaufstellung erreicht werden. Entscheidend war die im April 2015 erfolgte Zusage des mittlerweile in den Ruhestand gegangenen Leiters der Städtischen Museen, Herr Dr. Germann-Bauer, Transport, Abguss und Wiederaufstellung aus seinem Etat zu finanzieren.

Studenten der Jugendbauhütte unter der Leitung von Herrn Aichner arbeiteten in Bamberg bei der Firma Monolith im Rahmen des von Jauck/Kempter initiierten Neuvermarkungsprojektes an der Erstellung des Abgusses mit.

Herr Manglkramer vom städtischen Gartenamt bereitete mit seinen Mitarbeitern die Fundamentierung auf dem im Eigentum der Stadt stehenden Grundstück vor. Im Lauf der nächsten Wochen wird das Gartenamt den Boden um den Sockel herum andecken und Rasen ansäen. Pflege und Unterhalt wird freundlicherweise die Wohnbaugenossenschaft Neue Heimat eG übernehmen, die die unmittelbar angrenzende Seniorenwohnanlage betreibt.

Der stellvertretende Museumsleiter Herr Dr. Boos organisierte die Zusammenführung der Aufstellungsparteien und begleitete mit seinem Mitarbeiter Herrn Ehrenreich die Aufstellung.

An der hinter der Säule befindlichen Steinwand wird in Kürze ein Schild befestigt werden, das einige Informationen über den Standort der Säule an der Regensburger Burgfriedensgrenze und die Mitwirkenden der Wiederaufstellung enthalten wird.

Nachdem nunmehr 406 Jahre seit der ursprünglichen Aufstellung vergangen sind, befinden sich im Jahre 2018 wieder 9 von ursprünglich 21 Regensburger Burgfriedensäulen zugänglich im Gelände. Die älteste von ihnen, die Nr. 14 wird allerdings in nächster Zeit auf Verjüngungskur gehen, weil durch Verwitterung ein großes Stück abgebrochen ist.

Mit den beiden Burgfriedensforschern Martin Kempter und Manfred Jauck kann die Regensburger Burgfriedensgrenze mit allen ehemaligen Standorten der Steine und den noch stehenden Säulen bei den jährlich stattfindenen Burgfriedensumritten „westlicher“ und „östlicher“ Burgfrieden mit dem Fahrrad und einem dazu passenden Vortrag bei der VHS erlebt und erfahren werden.

Hier soll sie hin. Das Gartenbauamt hatte bereits vorgearbeitet. Die Mauer im Hintergrund
wird übrigens in keiner Karte angezeigt und ist auf google-earth wegen der Bäume nicht sichtbar





Burgfriedenforscher Martin Kempter, der zusammen mit Manfred Jauck die Restaurierung und Aufstellung "angestoßen" hat, freut sich

Mit anwesend wr Hr. H. Wartner in Vertretung für den Teamleiter Dr. Chrobak.


Auf der Ladefläche befindet sich neben dem Abguss der aufzustellenden Säulenreplik auch der Rest der Originalsäule, die zurück ins Museum transportiert werden soll. Bei diesem Originalstück fehlt allerdings der untere Schaft; dieser ist nicht mehr vorhanden. Insofern unterscheiden sich Replik und Original, die aufzustellende Replik enthält auch den rekonstruierten Schaft, der früher aus Grünsandstein erstellt wurde.






Hier sieht man die äußere Seite des Steines mit dem Ratenwappen für das Herzogtum Bayern. Der Stein hing gerade günstig in direkter Sonneneinstrahlung - einmal aufgestellt ist das Wappen im Schatten und man sieht die Konturen nicht mehr so schön. Außerdem ist gleich hinter dem Stein eine Mauer. Es ist aber genug Platz, um sich das hintere Wappen anzusehen.





Die Replik ist ein Abguss des verwitterten Originals und somit keine Rekonstruktion der ganz ursprünglichen Fassung. Man sieht  die Verwitterungsspuren aus den Grünsandsteinschichten genauso wie einen (scheinbaren) Riss im oberen Teil und der Kopfteil (der eigentlich auch als Dach und Schutz vor Verwitterung dient) ist selbst stark verwittert.



Burgfriedensäulen haben auf der "inneren" (der Stadt zugewandten) Seite zwei Wappen. Im unteren Wappen sieht man das Wappen von Regensburg selbst


Das obere Wappen, in einer Hohlkehle eingraviert, zeigt den Doppeladler, wovon man hier wegen der Verwitterung nur Reste sieht: oben die Köpfe und unten ein Bein. Dieser Doppeladler enthält übrigens noch nicht den Reichsapfel, der kam erst ein paar Jahrzehnte später bei anderen Grenzsteinen hinzu

Auf der Seite sieht man eine Nummer eingraviert, offenbar nach der damaligen Zählweise die Nummer 10. Bei den anderen Steinen ist diese Nummerierung offenbar bisher noch nicht so richtig aufgefallen
 Der doppelköpfige Reichsadler symbolisiert die Reichsunmittelbarkeit der Stadt, also die Unabhängigkeit von anderen Territorien wie Bayern. Ein vergleichbares Beispiel wären heute die Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen, die zu keinem Bundesland gehören sondern nur noch den Bund "über sich" haben.







Folgende Ausführungen hatte ich bereits in einem früheren Artikel veröffentlicht, möchte sie hier aber wiederholen:


Haben Sie schon mal überlegt, was der Begriff "Freie Reichsstadt" bedeutet? Ab 1245 war Regensburg ein souveränes Territorium - ein Stadtstaat wie Berlin, Bremen, Hanburg. Regensburg lag wie eine Insel mitten im "ausländischen" Gebiet des Herzogtums Bayern.



Das "Ausland" begann jedoch nicht direkt an der Stadtmauer, denn zur Reichsstadt gehörte noch ein sogenannter Burgfrieden.

Dieses Umland diente als Pufferzone und sollte auch die Grundversorgung mit Agrargütern gewährleisten.
Das ganze Mittelalter hindurch wurde über den Grenzverlauf gestritten. damals wie heute ging es weniger um das Land selbst, sondern um Steuern. Steuereinnahmen, die dem bayerischen Herzogtum entgingen.

ein toller Fund: Karte des Regensburger Burgfriedens aus 1800



Das Umland um die freie Reichsstadt Regensburg - Versorgungsgebiet und deshalb steuerfreie Pufferzone.
So genannter Burgfrieden




Der Burgfriede wurde mit 21 Grenzsäulen markiert, die manchmal auf seltsame Weise wanderten - wie das halt bei Grenzsteinen so ist.

Einige davon sind noch erhalten und befinden sich im heutigen Stadtgebiet - z.B. mitten im Grünstreifen der Kirchmeierstraße.



Kirchmeierstraße

Eine weitere Burgfriedensäule steht an der Simmernstraße:


Simmernstraße

Eine Karte aus 1800 von einem Mayr, im Original im Regensburger Museum, zeigt genau den damaligen Burgfriedensverlauf und die Burgfriedensäulen auf






Groth de Grothe, ... / Mayr, Johann: Plan Der Freyen Reichs-Stadt Regenspurg Burgfried, samt seinen Marck Säulen, welche mit + vorgestellt, und mit Lit:s bemercket, auch anliegend und Graenzende Örter, Gegenseit der Donau hingegen, befindet sich, Stadt am Hof und Pfleg Gericht Weix, und was in dasselbig gehörig, die Graenzscheidung ist mit Roth schattirt, so vom Regen bis an die Naab, gegen Ettershausen über mit 19 Steinen ausgemarcket, Ratisbonne//Regensburg//, [ca. 1800] 


 Ich habe Vergrößerungen gemacht und den Burgfrieden markiert
 
Die Burgfrieden-Säulen sind mit einem Kreuz markiert

Der Verlauf des Burgfriedens zu dieser Zeit, hier von mir gelb markiert


Kumpfmühl (damals "Stendal" genannt) gehörte offenbar zu Bayern und war vom Burgfrieden ausgeschlossen.

Diese Grenzmarkierung nördlich der Donau gehört nicht zum Regensburger Burgfrieden, sondern ist die Grenze
des "Gerichts Weix". Der Regensburger Burgfrieden endet an der Donau (am nördlichen Donauufer), von Spitalkloster abgesehen. Darauf hat mich der Leser Martin Kempter hingewiesen.

Auch diese Grenzmarkierung gehört nicht zum Regensburger Burgfrieden, sondern zu einem Gebiet namens "Pfleg"

Das Burgfriedensgebiet war mit 17 Quadratkilometer lächerlich klein. Andere Burgfrieden umfassten 1.500 Quadratkilometer


Frühere Blogartikel zum Thema mit weiteren Informationen: